Bony und der Bumerang
bitte weiter.«
»Wie gesagt, Ihr Sohn konnte sich nicht selbst befreien. Er wäre rettungslos verloren gewesen, wenn nicht eine Frau hinabgetaucht wäre und ihn im buchstäblich letzten Moment befreit hätte. Er hat sein Leben nur ihrem entschlossenen Eingreifen zu verdanken.«
»Großer Gott! Wer ist die Frau?«
»Eine Eingeborene – Nelly Wanting.«
»Unglaublich!« Thorntons Gesicht verriet offene Bewunderung. »Ja, das Mädel hat Mut. Ich hatte schon die ganze Zeit das Gefühl, daß der Junge etwas auf dem Herzen hatte. Wahrscheinlich wollte er uns nichts sagen, um uns nicht zu erschrecken. Vor allem seine Mutter. Aber ich muß Nelly Wanting wenigstens persönlich danken. Unglaublich! Seine Mutter wäre bestimmt vor Kummer gestorben, wenn der Junge ertrunken wäre. Wer hat Ihnen davon erzählt?«
»Ich erfuhr es von der Mutter des Mädchens«, antwortete der Inspektor. »Allerdings würde ich es für besser halten, wenn Sie nicht darüber sprechen. Sehen Sie, Ralph hat nichts erzählt, und man sollte das Motiv für sein Schweigen respektieren. Vielleicht war ich jetzt sogar indiskret.«
»Durchaus nicht«, versicherte Thornton. »Ich werde dem Jungen behutsam zu verstehen geben, vorsichtig zu sein. Aber das Mädchen möchte ich für ihr mutiges Verhalten auf jeden Fall belohnen. Morgen geben ich Ihnen fünf Pfund, die Sie ihr bitte aushändigen.«
»Das wird sie bestimmt gern annehmen«, meinte Bony. »Aber wir entfernen uns vom Thema. Wir sprachen über die Toten. Wer war eigentlich diese Mary Sinclair?«
Thornton betrachtete den Grabstein. Er schien zu zögern.
»Mary Sinclair war unsere Köchin. Sie starb an Bauchfellentzündung«, erklärte er und bedauerte im nächsten Moment, die Todesursache erwähnt zu haben.
Doch Bony schien sich nicht weiter dafür zu interessieren, erkundigte sich nach dem vierten Grab. Dort liege ein Grenzreiter, der vom Pferd gestürzt sei, erfuhr er.
»Stimmt es eigentlich, daß bald Hochwasser erwartet wird?« steuerte der Inspektor geschickt ein neues Thema an.
»Nach den vorliegenden Berichten – ja.« Thornton nickte. »Der größte Teil von Southern Queensland ist überschwemmt. Die Nebenflüsse des Darling führen Hochwasser. Ich wäre also nicht überrascht, wenn es diesmal eine ganz gewaltige Überschwemmung gäbe. Ich hoffe nur, daß wir zuvor die Schafschur beenden können. Seit Jahren plane ich, über die Washaways Brücken zu bauen, aber ich habe es immer wieder verschoben. Kommen Sie, mir wird es langsam kalt.«.
»Richtig. Die Sonne ist untergegangen. Reiten Sie ruhig los. Ich werde morgen früh bei Ihnen vorbeischauen und die Belohnung für Nelly abholen.«
Als Thornton verschwunden war, glitt ein grimmiger Ausdruck über Bonys Gesicht.
»Sie war also die Köchin!« murmelte er.
Auch Kate Flinders war die Veränderung, die mit Ralph vorging, nicht verborgen geblieben. Zunächst glaubte sie, daß sie ihn lediglich mit neuen Augen sah, seit ihr bewußt geworden war, daß sie Frank Dugdale liebte. Aber sie war treu und stand zu einem einmal gegebenen Wort. Deshalb verbannte sie Dugdale aus ihren Gedanken, auch wenn es ihr schwerfiel.
Am Morgen, der auf Bonys Friedhofsbesuch folgte, hielt sie sich am unteren Ende des Gartens bei ihren Hühnern auf. Es war strahlender Sonnenschein, und als Bony vorüberkam, blieb er stehen.
»Sie können wirklich stolz darauf sein, Miss Flinders, so früh im Jahr bereits Küken zu haben«, sagte er, nachdem er seinen alten Filzhut abgenommen hatte.
Kate lächelte. »Ich bin auch stolz auf meine Küken, Bony.«
»Wenn ich mich nicht täusche, sind es Orpingtons?«
»Sie haben sich nicht getäuscht.«
»Hm! Ausgezeichnete Fleischlieferanten, aber ihre Legeleistung ist nicht so groß wie zum Beispiel die der schwarzen Wyandotten.«
Kate riß die Augen auf, dann brach sie in lautes Gelächter aus. »Gibt es eigentlich etwas auf der Welt, über das Sie nicht Bescheid wissen?«
»Leider viel zuviel«, meinte Bony seufzend. »Im Augenblick lese ich gerade eine Abhandlung über die Folgen des Opiummißbrauchs – ein Gegenstand, über den ich leider noch schrecklich wenig weiß.«
»Wissen Sie, Bony, in Ihrer Gegenwart habe ich immer das Gefühl, entsetzlich ungebildet zu sein«, sagte sie lachend. »Aber warum, um alles in der Welt, interessieren Sie sich für Rauschgiftsüchtige?«
»Weil der Mensch mit allen seinen Schwächen das interessanteste Studienobjekt ist, das man sich nur denken kann. Alles, was der Mensch
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