Bony und die weiße Wilde
oder er saß mit durchgeistigtem Blick da, die Beine übereinandergeschlagen, einen Schreibblock auf den Knien.
Auf den folgenden Bildern, auf denen Ted Jukes, der deutlich die Züge seiner Mutter trug, zusammen mit Marvin Rhudder zu sehen war, bemerkte Bony, daß Marvin offensichtlich der Beherrschende war. Wo Marvin fehlte, wirkte Emmas Sohn viel gelöster, viel selbstsicherer.
Immer wieder musterte Emma verstohlen den Mann, der so überraschend in ihr Leben getreten war. Plötzlich bemerkte sie, wie Bonys dunkles Gesicht Verwirrung verriet. Langsam schlossen seine schlanken Finger das Album. Er nahm es und legte es dann weit zurück auf den Tisch.
»Ich danke Ihnen, Emma, daß Sie mir etwas gezeigt haben, was Ihnen lieb und teuer ist. Nun beantworten Sie mir bitte noch eine Frage. Ich weiß, daß Sie mir die Antwort mit Ihrem Herzen geben werden. Wenn Sie Marvins Mutter wären, Emma, würden Sie ihm helfen, ihn unterstützen und beschützen, ja - ihn noch lieben?«
Nachdenklich nahm Emma das Album und ging zum Schreibschrank hinüber. Gedankenverloren betrachtete sie es eine Weile, bevor sie es wegschloß. Dann drehte sie sich sehr schnell um und sagte leise: »Ja.«
9
Kurz vor dem Mittagessen kam Matt zurück. Bony bat ihn um die Karten des Landesvermessungsamtes. Sie studierten sie gemeinsam, und bald konnte Bony sich ein genaues Bild vom Landbesitz der beiden Farmen, von den Zäunen, den alten Buschpfaden, den Gattern und Wasserstellen machen.
Auf dem Tisch neben den Landkarten lag der Gipsabguß von Lukes Fußeindruck. Als Emma schließlich den Tisch decken wollte, brachte Bony den Abguß auf sein Zimmer. Die Karten wurden wieder weggepackt. Matt öffnete eine Flasche Bier. Mit dem Glas in der Hand ging Bony vor die Tür, wo er an dem Bier nippte und über ein Problem nachdachte.
Er rief sich Sasoons Bericht über den Besuch bei den Rhudders ins Gedächtnis zurück. Der alte Jeff hatte von Luke wissen wollen, warum er ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt ins Elternhaus gekommen sei. Es war ja auch tatsächlich eigenartig, daß er ausgerechnet einen Tag nach Marvins Ankunft aus Perth herübergekommen war. Angeblich wollte er Freitag nach Hause zurück. Was mochte sich ereignet haben, daß er nun seine Anwesenheit nicht mehr für notwendig hielt?
Bevor Luke auf dem Weg nach Timbertown einen kurzen Augenblick hereingeschaut hatte, war es Bonys Plan gewesen, einen Beobachtungsposten auf dem Hügel zu placieren, von dem aus man die Lagune überblicken konnte. Aus diesem Grunde hatte er auch Sergeant Sasoon eingeladen, um die Einzelheiten mit ihm zu erörtern. Aber nun konnte er nicht mehr bis zum Abend warten. Er mußte so schnell wie möglich handeln. Timbertown besaß glücklicherweise Selbstwählferndienst. Bony rief Sasoon an.
»Ich brauche zwei Spurensucher, Sam. Können Sie Wachtmeister Breckoff für einen oder zwei Tage abstellen, damit er das Camp einrichtet und die nötigen Anweisungen gibt?«
»Wird sofort besorgt«, erwiderte Sasoon ohne Zögern.
»Aber nicht bei Tageslicht. Auch bei Ihnen drüben darf n iemand etwas von dieser Aktion erfahren. Ist das klar?«
»Absolut klar. Sie können beruhigt sein.«
»Gut. Heute abend erwarten wir Sie beide, wie bereits bekochen. Ist Luke Rhudder in der Stadt?« Und als Sasoon erwiderte, Luke sei bereits seit zwei Stunden in Timbertown, fügte Bony hinzu: »Gut, dann gehen Sie mal beim Postmeister vorbei, wie besprochen.«
Beim Mittagessen erkundigte sich Bony bei Matt, wann die Musterungspferche und Blockhütte zuletzt betreten worden seien, und er erfuhr zu seiner Genugtuung, daß seit drei Monaten niemand mehr draußen gewesen war. Er beabsichtige aber, fügte Matt noch hinzu, bald wieder einmal ein paar Tiere für den Markt auszuwählen. Jedenfalls war anzunehmen, daß sich dort draußen keine störenden Spuren befanden. Bony bat um ein Pferd, und Matt stellte ihm eins zur Verfügung.
Gleich nach dem Essen ritt er los. Das Pferd war schwarz und kräftig, aber ein wenig widerspenstig, bis sein Reiter ihm klargemacht hatte, daß es besser sei, mit ihm zusammenzuarbeiten.
Der Tag hätte nicht schöner sein können. Ein leichter Wind trug das Rauschen der Brandung herüber, und in den wilden Blumen summten die Bienen.
Der Mann auf dem Pferd trug ein braunes Hemd und eine braune Hose. Sein schwarzes Haar flatterte im Wind. Wie er da auf dem feurigen Wallach saß, erinnerte er unwillkürlich an Bellerophon auf dem Rücken von Pegasos.
Er folgte einem
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