Bookman - Das ewige Empire 1
läuten die Glocken von St. Anne.
»Komm nicht zu spät«, läuten die Glocken von Aldgate.
»Du schuldest mir Schilling zehne«, läuten die Glocken von St. Helene.
»Wann bekomm ich die wieder?«, läuten die Glocken von St. Peter.
»Wenn Geld ich in Händen«, läuten die Glocken von Camden.
»Und wo kriegst du das her?«, läuten die Glocken von Edgware.
»Irgendwo, irgendwo«, läutet die groÃe Glocke von Bow.
Alter Kinderreim
Die Nacht war erstaunlich warm, und die Einwohner der
Hauptstadt hatten diesen unerwarteten Umschwung des allzeit unberechenbaren
Wetters genutzt, um ihre Wohnungen zu verlassen und in Scharen auf die StraÃen
zu strömen. Während Orphan die Charing Cross Road entlangging, lauschte er den
Rufen der fliegenden Händler, die selbst zu dieser späten Stunde noch eifrig
ihre Waren anpriesen.
»Reife Erdbeeren!«
»Schöne Körbe!«
»Aale! Aale!«
»Wir wärâs mit einem hübschen Singvogel?«
»Reisig für alte Schuhe!«
»Eins a Schreibtinte!«
»Kaufen Sie ein Kaninchen, ein Kaninchen!«
»Krebse, dicke, fette Krebse!«
»Prima Zitronen und Orangen!«
»Kauft den neuesten Almanach!«
»WeiÃe Mäuse, weiÃe Mäuse im Angebot!«
»Schleife Messer oder Scheren!«
»Flicke Töpfe aus Messing oder Eisen!«
»Federhalter und Tinte! Federhalter und Tinte! Beste Qualität!«
»Brot, frisches Brot!«
»Feigen!«
»Würstchen, gute Würstchen!«
Als er den Leicester Square überquerte, blieb er stehen, um sich
eins der angepriesenen Würstchen zu kaufen, das in einem pappigen Brötchen
steckte und unter fetttriefenden Zwiebeln begraben war. Von überall her roch es
nach Essen, die Pubs waren hell erleuchtet, und aus den offenen Fenstern
schallte der fröhliche Lärm der Zecher, der jedoch von den Rufen der
StraÃenhändler übertönt wurde.
»Wie wärâs mit einem Paar Schuhe?«
»Strumpfbänder gefällig?«
»Perücken! Die besten Perücken der Stadt!«
»Landkarten zu verkaufen! Betrachten Sie die Wildnis von Vespuccia,
staunen Sie über die Steppen Sibiriens, entdecken Sie die Geheimnisse von
Zululand!«
»Salz aus Worcestershire!«
»Schöne Bürsten gefällig?«
»Reife Kastanien!«
»Hier gibtâs Hutschachteln! Neue Hutschachteln!«
»Eins a Kartoffeln!«
»Warme Aalpastete!«
»Flohpeiniger!«
Bei diesem Stand machte Orphan halt und betrachtete die Auslagen, um
herauszufinden, was ein Flohpeiniger war. Er sah jedoch nichts als eine Reihe
seltsamer federhalterförmiger Gebilde, deren Sinn und Zweck ihm verborgen
blieb. Achselzuckend setzte er seinen Weg durch die Menge fort, um in Richtung
Piccadilly zu gehen.
»Frische Eier!«
»Gewürze! Gewürze aus Sansibar!«
»Scharfes Currypulver!«
»Cannabis! Cannabis aus dem eigenen Garten!«
»Hündchen!«
»Bananen! Bananen ! Direkt vom Schiff!«
»Leitern! Stabile Leitern!«
»Majoran und Salbei!«
»Streichhölzer gefällig?«
Er kam an einer Frau vorbei, die an der Ecke vom Haymarket stand und
mit hoher, klarer und schöner Stimme sang. Ihr Lied hatte keine Worte, und die
Melodie erinnerte ihn irgendwie an den Gesang der Wale. Spontan blieb er
stehen, um eine Münze in die Schachtel zu werfen, die neben ihr auf dem Bürgersteig
lag.
Ohne ihren Gesang zu unterbrechen, sah sie ihn an und neigte zum
Dank leicht den Kopf. Die Schönheit ihres Gesichts rührte Orphan ebenso wie die
Traurigkeit, die sich darin abzeichnete und seine eigene widerzuspiegeln
schien. Aufgewühlt eilte er weiter. Immer wieder fasste er einzelne Frauen in
der Menge ins Auge, weil er meinte, Lucy entdeckt zu haben, doch bei genauerem
Hinsehen entpuppten sich diese Frauen stets als jemand anders, der nicht die
geringste Ãhnlichkeit mit seiner geliebten Lucy hatte. Ob sie ihm wohl noch
einmal erscheinen würde? Vielleicht suchte sie â eine untote Gefangene des
Bookman â sogar nach ihm, jetzt, in diesem Moment!
Doch sie erschien nicht.
»Warme Lebkuchen, direkt aus dem Ofen!«
»Rüben und Karotten!«
»Neue Liebeslieder, spottbillig!«
»Schlüsselblumen!«
»Marmelade! Brombeermarmelade!«
»Zwiebeln! Kaufen Sie ein Bund Zwiebeln!«
»Spieldosen zu verkaufen!«
»Edison-Platten!
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