Bookman - Das ewige Empire 1

Simulacrum, nicht wahr?«,
fragte er. Dann zog er seinen Revolver und schoss dem Bookman in die Brust.

18
Der Bookman
    Facile credo, plures esse Naturas
invisibiles quam
visibiles in rerum universitate.
    Thomas Burnet
    Â»Bravo!«, sagte da eine fremde Stimme. Der Mann, mit dem
Orphan gesprochen hatte, lag mit einem Loch in der Brust auf dem Boden. Wie bei
Jack sprühten Funken aus ihm auf. Unter seiner Haut bewegten sich Lichtlinien,
die seinen Körper auf unheimliche Weise zum Leuchten brachten.
    Â»Zeigen Sie sich«, sagte Orphan in die Dunkelheit hinein.
    Â»Da müsste ich ja befürchten, dass Sie mich auch erschießen«,
erwiderte die amüsiert klingende Stimme. »Sie haben schnell gelernt, mit dieser
Waffe umzugehen.« Er stieß einen langen, schweren Seufzer aus. »Nun sind Sie
also endlich gekommen.«
    Enerviert spähte Orphan in die Dunkelheit, in der sich irgendetwas
bewegte – eine große, Bösartigkeit ausstrahlende Gestalt, die er nicht ganz
auszumachen vermochte. »Wo ist Lucy?«, fragte er.
    Â»In der Nähe«, antwortete die Stimme. Orphans Herzschlag
beschleunigte sich. Nachdem er tief durchgeatmet hatte, um sich zu beruhigen,
sagte er: »Lassen Sie sie frei!«
    Â»Nun sind Sie also endlich gekommen«, wiederholte die Stimme, die
abermals höchst amüsiert klang. »Sie sind in die Unterwelt hinabgestiegen, um
mit dem Herrn der Toten zu verhandeln. Aber was haben Sie anzubieten, Orphan?«
    Â»Zeigen Sie sich«, wiederholte Orphan, der sich plötzlich wie ein
kleiner Junge vorkam, der verloren im Finstern stand. Der Bookman trieb sein
Spiel mit ihm.
    Der Bookman lachte. »Ich kann Ihnen Lucy zurückgeben«, sagte er.
»Lebendig. In noch besserem Zustand als zuvor. Aber was bekomme ich dafür, mein
junger Dichter? Meinen Sie, Sie können einfach wie eine Figur aus dem Mythos
hierherkommen und Ihre Geliebte zurückfordern?«
    Orphan spähte erneut in die Dunkelheit, vermochte jedoch nur
zuckende Schatten zu erkennen. »Was wollen Sie von mir?«, flüsterte er.
    Â»Ah! Gut.« Eine Bewegung im Dunkeln, die den beunruhigenden Eindruck
erweckte, als käme sie von einem riesigen Insekt mit zahlreichen Beinen und
Augen. »Sie verstehen, worauf ich hinauswill.«
    Â»Warum haben Sie sie getötet?«
    Ich bin auf ihn angewiesen, schoss es Orphan durch den Kopf. Um
Lucys willen bin ich bereit, ihm zu dienen.
    Â»Das wollte ich Ihnen ja erklären, aber dann haben Sie Mr. Worth
getötet«, sagte die Stimme, die auf einmal gereizt klang. »Sie lassen eine
beachtliche Spur der Vernichtung hinter sich zurück.«
    Unwillkürlich tauchte das Bild des auf dem Boden liegenden Jack vor
Orphans innerem Auge auf. Sein Herz krampfte sich zusammen. »Würden Sie …
könnten Sie ihn reparieren? Jack, meine ich.«
    Â»Das könnte ich«, erwiderte der Bookman, dessen Stimme jetzt aus
einer anderen Richtung kam. Er schien Orphan zu umkreisen wie ein Jäger, der
sich an seine Beute heranpirscht. »Aber ob das klug wäre?«
    Â»Er war mein Freund«, erklärte Orphan, dem einfiel, wie Jack ihn in
Paynes Buchladen aufgenommen und sich um ihn gekümmert hatte. Und er, Orphan,
hatte ihn erschossen. Plötzlich widerte er sich selbst an. Und war wütend.
    Â»Ich weiß«, sagte der Bookman. »Paradox, nicht wahr? Sehen Sie, wenn
ich wollte, könnte ich ihn zurückholen, aber wie würde Jack das finden?« Der
Bookman gab einen Seufzer von sich, der Orphans Wange wie ein Windhauch
streifte. »Er wusste nämlich nicht, dass er ein Simulacrum ist.«
    Der Bookman lachte. In der Ferne plätscherten die Wellen ans Ufer.
Der Tee auf dem Tisch wurde kalt. Auf den schwarzen und weißen Feldern lag ein
toter Mann.
    Orphan fühlte sich erschöpft und alt. Er setzte sich wieder hin.
Jack war also wirklich sein Freund gewesen. »Bitte holen Sie ihn zurück«, sagte
er.
    Â»Erst Lucy und jetzt auch noch Jack?«, entgegnete der Bookman. »Was
geben Sie mir dafür?«
    Dieses Spiel kannte Orphan bereits. Seit jener Nacht an der Themse
spielte er Rätselspiele, bei denen die Gegner wechselten, während die Fragen
gleich blieben. Eine Frage wird mit einer Frage beantwortet, dachte er. Aber zu
gegebener Zeit werden Sie mir schon verraten, was Sie von mir wollen. Was soll
ich tun? Was wollen Sie mir mitteilen?
    Â»Wer war das?«, fragte er, auf den toten