Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
Stoß ausholen und rollte sich gerade noch rechtzeitig zur Seite. Obwohl nicht zum Töten gemacht, konnten auch Requisitenwaffen gefährlich werden.
Als Eliza hörte, wie der Spieß auf die Dielen schlug und zersplitterte, rollte sie sich zurück und schickte Sophia mit einem kräftigen Tritt erneut in den Wald von Birnam. Im nächsten Moment war Eliza wieder auf den Beinen, strich ihre Röcke glatt und erleichterte einen Schotten um sein Schwert. Es war eher eine Keule als ein richtiges Schwert, aber das würde genügen müssen.
Dann geriet Macduff in seiner Arie ins Stocken. Ohne einen Takt auszulassen, spielte das Orchester weiter, während der Sänger zur Bühnenmitte zurückwich. Es war nun Sophia, die Macduffs Schwert in der Hand hielt. Ihr Lächeln sagte, dass es ordentlich schwer war – eine echte Waffe also, die für Bühnenkämpfe benutzt wurde. Die Kampfszenen mochten choreografiert sein, aber die Schwerter waren mehr als täuschend echt und verstärkten deutlich die Dramatik auf der Bühne und die Schwierigkeiten für Eliza.
Warum musste es denn ausgerechnet Macbeth sein? Warum nicht Figaro, Der Barbier von Sevilla oder Tausendundeine Nacht? Irgendetwas mit Kissen, dachte Eliza, als das Schwert auf ihren Kopf zusauste. Sie parierte mit ihrer billigen Nachbildung, die jedoch sogleich zersplitterte. Die enorme Schwungkraft in Kombination mit dem mangelhaft ausbalancierten Breitschwert brachte Sophia aus dem Gleichgewicht.
»Nächstes Mal, mein Freund«, witzelte Eliza in Richtung des Schauspielers, dem sie die Waffe abgenommen hatte, »lass dir lieber eine größere Rolle geben, als nur den dritten August von links zu mimen!«
Der Männerchor stob auseinander, teilte sich wie das Rote Meer , als Sophia knurrend die Klinge schwang und erneut angriff. Eliza duckte sich und wich aus und tat ihr Bestes, um dem Breitschwert nicht zu nahe zu kommen. Wieso hatte diese Frau das verdammte Glück gehabt, neben einer der Hauptfiguren zu landen? Mit dieser Waffe konnte sie ihr problemlos das Korsett durchstoßen oder den Kopf abschlagen, und dann würde für das Finale weitaus weniger Bühnenblut benötigt werden.
Viele Mitglieder des Ensembles flohen hinter Sophias Rücken in die Kulissen, wohingegen andere tapfer ausharrten, aus Leibeskräften weitersangen und lediglich besorgte Blicke auf die kämpfenden Frauen in ihrer Mitte warfen. Eliza hätte sich liebend gern einen Moment Zeit genommen, um diese Hingabe zu würdigen – wäre sie doch nur nicht so intensiv damit beschäftigt gewesen, am Leben zu bleiben.
»Verdammter Mist!«, fluchte Eliza. Ihre R evolver steckten in den Halftern an ihren Oberschenkeln – lediglich eine Stoffschicht entfernt. Zupacken, ziehen und zielen. Ein Kopfschuss wäre wohl zu viel verlangt, aber sie könnte ihrer Gegnerin zumindest den Wind aus den Segeln nehmen. Alles, was Eliza brauchte, war ein kurzer Augenblick, in dem die Italienerin nicht angriff.
Schon holte Sophia abermals aus, verfehlte ihr Ziel jedoch und strauchelte nach vorn.
Just in diesem Moment fing Lady Macbeth an zu schreien. Direkt in Elizas Ohr.
Doch wer hätte der Sängerin ihr fachliches Können zum Vorwurf machen können? Kräftige Lunge, dachte Eliza, als sie von der Schallwelle an den Bühnenrand katapultiert wurde. Inmitten der kurzzeitigen Orientierungslosigkeit durch Primadonna, Musik und Chaos verfing sich Elizas Fuß in der Schleppe ihres Kleides, und so wurde aus ihrem wenig eleganten Stolpern ein plumper Sturz. Hinter ihr zerbarsten drei Bühnenleuchten, als Sophia mit der scharfen Klinge um sich schlug.
Der nächste Schlag hätte Eliza einen Kopf kürzer gemacht, wenn nicht jemand mit seinem Schwert dazwischengegangen wäre. Sie stieß einen erleichterten Seufzer aus, als sie Macbeth vor sich stehen sah.
Sie hatte die Schotten schon immer geliebt.
Nun holte Sophia aus, um dem Schauspieler den Kopf abzuschlagen, doch Eliza wehrte sie einmal mehr mit dem Ellbogen ab.
»Danke, mein Freund«, sagte Eliza und nahm sich das Schwert des Hauptdarstellers. »Sollte ich diese Vorstellung überleben, gebe ich einen aus!«
Das Breitschwert war ihr eine Spur zu leicht und lag nicht so gut in der Hand, wie sie es gern gehabt hätte; aber es war immerhin aus Metall. Über die Klingenspitzen hinweg funkelten sich die Kontrahentinnen böse an, und der Geruch von Gas brannte ihnen in Augen und Nase. Um sie herum fuhren die mutigsten Darsteller mit ihrem Gesang fort, wenn auch nicht unbedingt in voller
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