Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
jedoch … « – Dr. Sound erhob sich von seinem Sessel – »… ist meines Erachtens ein anderer Blickwinkel vonnöten. Wenn Sie bitte so freundlich sein wollen«, sagte er und deutete auf die Tür.
Einen Moment lang überlegte Eliza, ob sie sich verhört oder die Strafe einfach nicht mitbekommen hatte. »Ein … anderer Blickwinkel, Dr. Sound?«
»In der Tat.« Er schloss ihre Akte und warf sie in seinen Ausgangskorb. »Nach den Terminen dieses Vormittags brauche ich – wie Sie es gern ausdrücken – einen Tapetenwechsel.«
»Wie Sie wünschen, Dr. Sound. Wo soll es denn hingehen?«, fragte Eliza.
»Sie werden keinen Schirm brauchen, Agentin Braun«, sagte er süffisant lächelnd. »Es ist nicht weit.«
»Sehr wohl, Dr. Sound.«
Ihre Gedanken rasten. Was für eine disziplinarische Maßnahme mochte er wohl für sie im Sinn haben? Sie bemühte sich, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Als sie an Miss Shillingworth vorbeikamen, die jetzt wieder an ihrem Schreibtisch saß, deutete nichts mehr darauf hin, dass sie jemals in einer misslichen Lage gesteckt hatte. Der Wartebereich war wie immer makellos.
»Famose Arbeit, Miss Shillingworth«, gluckste Dr. Sound.
Die Sekretärin blinzelte. Komplimente vom Direktor, folgerte Eliza, waren offenbar nicht an der Tagesordnung.
»Wir werden nicht lange fort sein«, erklärte er, griff in seine Manteltasche und förderte ein kleines, gefaltetes Stück Papier zutage. »Kümmern Sie sich darum, und bitte verlegen Sie alle Termine, ob vereinbart oder unerwartet, auf den Nachmittag. Braves Mädchen.«
Miss Shillingworth nickte und legte den Zettel mitten auf ihren erschreckend ordentlichen Schreibtisch.
Dr. Sound wandte sich wieder Eliza zu, und mit einem warmen Lächeln deutete er auf den Fahrstuhl. »Bitte nach Ihnen, Agentin Braun.«
Unerwartet heftig kehrte Elizas Gänsehaut zurück.
Kapitel 3
In welchem unser tapferer Held der Chroniken und Register endlich auf geziemende Weise Eliza D. Braun vorgestellt wird
Tropf …
Tropf …
Tropf …
Wellington schaute von seinem breiten Schreibtisch auf und starrte in die Dunkelheit, aus der das Geräusch zu ihm drang. Früher hatte ihm das monotone Tropfen unerbittlich die betrüblichen Zustände hier unten ins Bewusstsein gerückt. Das stetige, tiefe Dröhnen der Heizkessel hatte ihn nicht gestört, denn die taten nur ihre Arbeit: Sie hielten die Feuchtigkeit in Schach. Es war auch unvermeidbar, dass einige Rohre und kleinere Kammern schwitzten. Bedachte man zudem den enormen Druck der Wassermassen der Themse auf der anderen Seite der Wand, so war eine gewisse Luftfeuchtigkeit nur natürlich.
Diese Herausforderung hatte er bereitwillig angenommen. Er konnte sich also kaum beklagen.
Tropf …
Tropf …
Tropf …
Eine Strategie, hatte er sich zu Beginn gesagt, als er diesen Posten im Ministerium für Eigenartige Vorkommnisse annahm. Entwickle eine Strategie, um zu bekommen, was du willst. Sei entschlossen in den Schlachten, die du schlägst – Wellingtons militärische Ausbildung fand im alltäglichen Leben wahrlich seine Anwendung. Das Archiv war in einem solch desolaten Zustand gewesen, dass der Ausdruck »unordentlich« noch als Kompliment hätte gelten müssen, aber er hatte sich der Herausforderung gewachsen gezeigt und sein Missfallen für sich behalten. Stattdessen hatte er sich seine eigenen Gedanken über die bestehenden Probleme gemacht, die passenden Lösungen nach ihrer Wichtigkeit geordnet und sie dann in die Tat umgesetzt. Diejenigen, von denen er wusste, dass sie der unmittelbaren Aufmerksamkeit Dr. Sounds bedurften – wie zum Beispiel die Notwendigkeit eines Lufttrockners, um die Feuchtigkeit im Archiv wenigstens bis zu einem gewissen Grad einzudämmen – , waren für jene Treffen reserviert gewesen, da sie unter sich sein würden, allein; dann erst hatte Wellington mit seiner ungeteilten Aufmerksamkeit rechnen können.
Diese Treffen waren jedoch rar gesät gewesen.
Tropf …
Tropf …
Tropf …
Das Tropfen war für ihn zum Takt einer Kriegstrommel geworden. Das Archiv mit der gewaltigen Sammlung von Fallakten und den dazugehörigen Asservaten unterlag seiner Verantwortung; es zu schützen war seine Pflicht für Königin und Vaterland. Jeder Tropfen verspottete ihn. Jeder Tropfen forderte ihn heraus. Und all seine außeramtlichen Bemühungen, einen Lufttrockner zu bauen, der für den enormen Raum unter den Büros des Ministeriums geeignet gewesen wäre, hatten das Problem nicht beheben
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