Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
kaum der Typ Mann für unseren Club zu sein.«
Wellington hielt inne, die Gabel auf halbem Weg zum Mund. Bedächtig ließ er sie wieder auf den Teller sinken. »Wie meinen?«
»Ein Mann mit Ihrem Hintergrund. Ziemlich prosaisch. Nicht unbedingt das, was ich als erstklassiges Kandidatenmaterial für unseren Geheimbund erachten würde.«
»Weil ich in Textilien mache?«, entgegnete Wellington.
»Das ist eben nicht vergleichbar mit der Eisen- oder Waffenbranche, oder generell mit etwas …« Devanes Miene verzog sich zu einem höhnischen Grinsen, »… Streitbarerem.«
»Ich verstehe.« Wellington nickte und nahm sein Weinglas in die Hand. Er hätte nicht sagen können, wann es wieder aufgefüllt worden war. »Und sagen Sie, wie viele Soldaten stürmen splitterfasernackt aufs Schlachtfeld?« Jetzt hatte er die Gabel wieder in der Hand und widmete sich genüsslich seinem delikaten Essen. Nach einigen Bissen tupfte er sich den Mund ab und fügte hinzu: »Für mein Gewerbe gilt: Jedermann braucht Kleidung. Beide Seiten, wenn Sie es genau wissen wollen. Für mich geht es im Krieg nicht um politische Entscheidungen oder Ideologien, sondern um Farben, Schnitte und Stoffe.« Also gut, dachte er, es war an der Zeit, diesem Schurken Paroli zu bieten. »Solange die kriegerischen Parteien jeweils das Ihre tun, um die Schwachen auszusieben, die Herde auszudünnen, oder wie immer Sie es ausdrücken möchten, so lange werde ich dafür sorgen, dass sie ordentlich gekleidet sind.«
Bei diesen Worten hielten sowohl Devane als auch Eliza abrupt inne.
»Demnach sind Sie in Ihrem Geschäft also keiner Seite gegenüber loyal, ist es das, was Sie damit sagen wollen, alter Knabe?«
»Ich will damit Folgendes sagen: Soll sich doch das ganze ungewaschene Volk ruhig gegenseitig die Köpfe einschlagen. Wenn sie sich selbst dezimieren wollen, was kümmert mich das, solange das für mich einen hübschen Gewinn abwirft? Meine Ziele – einschließlich der persönlichen, die nicht in direktem Zusammenhang mit meinen bescheidenen Textilfabriken stehen – bleiben so oder so finanziell abgesichert.« Wellington genehmigte sich eine Spargelstange, tupfte den Mund ab und nippte dann an seinem Wein. Er empfand das Schweigen um ihn herum als recht beruhigend. »Ich halte nichts von einer Regierung, die uns im Stich lässt, aber umso mehr von den Idealen, auf denen unsere Gesellschaft fußt.«
Es herrschte Stille, und derweil die Zeit verstrich, erkannte Wellington, dass er dieses prächtige Dinner langsam wirklich zu schätzen wusste.
»Sie, Richard, sind ein Mann voller Überraschungen.«
Und schließlich drehte er sich zu Devane hin. Wären sie an irgendeinem anderen Ort gewesen, hätte Wellington darauf bestanden, ihre Differenzen im Boxring auszutragen. Natürlich nach den Queensbury-Regeln.
»Sie machen sich keine Vorstellung, Lord Devane«, erwiderte er ruhig und leise.
Die Teller wurden abgeräumt und sogleich durch das Dessert ersetzt, eine köstlich aussehende Neapolitanerschnitte. Wellington genoss das Kribbeln auf der Zunge und dämpfte es nur ein wenig mit einem Schlückchen Wasser. Er sah zu Eliza, die just in diesem Moment Havelock anstarrte. Wellington folgte ihrem Blick, und ihm fiel auf, dass Havelock sich offenbar noch immer an seinem ersten Glas Wein gütlich tat. Das Oberhaupt der Gesellschaft thronte schweigend am Kopfende der Tafel und nahm seine Gäste weiterhin genau in Augenschein.
Als sich ihre Blicke trafen, fing Wellington an zu schwitzen. Und was mache ich jetzt?
Havelocks Augenbrauen beschrieben einen neugierigen Bogen, die Lippen waren interessiert geschürzt. Sein Zutrunk mit erhobenem Glas war herzlich, wohlwollend und aufrichtig.
Wellington nickte zum Gruß, erwiderte das Lächeln und wandte sich dann wieder seinem Dessert zu. Aus den Augenwinkeln konnte er erkennen, dass Eliza ihr Eis bereits verspeist hatte.
»Er findet Gefallen an Ihnen«, flüsterte Devane. »Und seine Billigung ist keineswegs unbemerkt geblieben.«
Wellington schaute von seinem Dessert auf, um festzustellen, dass ihn die anderen Paare, jene ohne die Reversnadel des Clubs, mit kalten Blicken musterten.
»Guter Schachzug, alter Knabe«, flüsterte Devane.
Was zum Henker habe ich denn getan?
Wellingtons wachsende Panik löste sich schlagartig in Wohlgefallen auf, als ein kristallenes Klirren erklang. Die Gespräche verstummten, und alle Aufmerksamkeit galt nun dem Kopfende des Tisches, dem Großmeister der Gesellschaft des Phönix.
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