Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
sagte Devane und deutete zum Speisesaal.
Die Geräuschkulisse schien an Lautstärke noch zuzunehmen, als sie den lang gestreckten Speisesaal betraten. Die Initianden waren unschwer zu erkennen, da sie mit offenem Mund die Einrichtung des Saals bestaunten. Bis hin zum glänzenden Silberbesteck und der beeindruckenden Eisskulptur als Tafelaufsatz versprach dies, ein eleganter Abend zu werden, Vorbote eines grandiosen Wochenendes auf dem Lande. Während die meisten Initianden das Wappen der Gesellschaft des Phönix betrachteten, das die gegenüberliegende Wand einnahm, fühlte Wellington sich eher zu den vielen Porträts hingezogen. Diese Männer, so schlussfolgerte er, mussten frühere Mitglieder der Gesellschaft des Phönix gewesen sein. Einige Gesichter kannte er aus der britischen Geschichte, wobei das Gemälde von Guy Fawkes einen der berüchtigteren Charaktere darstellte. Doch er entdeckte auch noch andere berühmte Männer: Kapitän James Cook, Sir Thomas Moore, König Richard den Dritten.
Interessanterweise fehlte Ferdinand Magellan. Genau genommen hing an der ganzen Wand kein einziges Porträt eines Ausländers.
»Dabei war ich mir so sicher«, murmelte er.
»Wessen waren Sie sich sicher, alter Knabe?«
Wellington blinzelte und warf einen schnellen Blick auf Eliza, die weiterhin die Rolle des gehorsamen Schoßhündchens spielte. In diesem Moment bedauerte er seine kleine Improvisation.
»Oh, Verzeihung, ich bemerkte gerade …«
»Die Ganovengalerie, ja?«, sagte Devane, dessen Augen vor Stolz erstrahlten. »Unsere Bruderschaft kann fürwahr auf eine vorzügliche Geschichte zurückblicken.« Derweil er fortfuhr, nahmen sie ihre Plätze ein. »Ich würde mir jedoch keine Sorgen machen, alter Knabe. Für eine Aufnahme ist die Vergangenheit hier nicht sonderlich relevant.«
»Was ist hier denn relevant?«, fragte Wellington.
»Die Zukunft.« Er sah kurz zu Eliza, dann wandte er sich wieder an Wellington. »Für uns zählt in erster Linie die Zukunft und wie wir sie formen können.«
Als Hummersalat aufgetragen wurde und sich ihre Gläser mit Wein füllten, spürte Wellington ein leichtes Tätscheln an seinem Oberschenkel.
Gut gemacht, Welly, las er in ihrem verstohlenen Grinsen.
Olivia Devane betrat den Saal, und während sie an der Tafel entlangging, bedachte sie die Gäste mit einem strahlenden Lächeln, das allerdings verblasste je weiter sie sich ihrem Platz näherte. Als sie ihn erreichte, war ihr alle Freundlichkeit aus dem Gesicht gewichen.
»Gemahl«, sagte sie und machte einen kleinen Knicks, wie eine Dienstbotin vor dem Gutsherrn.
»Olivia«, erwiderte er, ohne den Blick von seinem Salat zu heben. »Wie verlaufen die Vorbereitungen?«
»Oh, es wird wie immer zauberhaft werden«, antwortete sie höflich.
»Und deine Nichte?«
Lady Devane hatte ohnehin einen recht hellen Teint, aber mit einem Mal wurde sie aschfahl, als wäre sie der Geist vom Speisesaal. In Wellingtons Augen war sie dennoch eine bemerkenswerte Frau. Denn wenngleich die Männer stets Eliza und ihren üppigen Busen begafften, waren Olivias schlanke Figur und ihre anderen Vorzüge nicht zu leugnen. Ihre Haut war makellos, ihre Augen zwei dunkle Seen, in denen man sich leicht verlieren konnte. Wellington blinzelte, als er sich dabei ertappte, dass er sie anstarrte. Für diese Männer mochte das ja akzeptabel sein, aber nicht für ihn.
Dann schaute er sich am Tisch um. Keiner der Männer beachtete sie. Kein einziger. Warum nur?
»Constance ist hier, ja. Ich mache mir ein wenig Sorgen, ob ich … «
»Wird Sie sich zu uns gesellen oder nicht?«
Olivia räusperte sich. »Sie möchte ihren Onkel Barty nicht enttäuschen.«
Das Lächeln auf Devanes Gesicht ließ Wellington erschaudern.
»Wie goldig.« Devane nahm noch einen Bissen von seinem Salat, dann konstatierte er: »Sie essen ja gar nichts, Richard.«
Wellington starrte schon wieder. »Verzeihen Sie, Bartholomew. Mir scheint, ich habe mich von Ihrer Gattin ablenken lassen.«
Devane stutzte, legte seine Gabel beiseite und griff nach seinem Wein. »Ach ja? Was Sie nicht sagen.«
»Aber gewiss doch«, erwiderte Wellington in einem seltsam singenden Tonfall. »Ich weiß eben die schönen Dinge dieser Welt zu schätzen, nicht wahr?«
Dann warf er einen Blick auf Lady Olivia, die mit im Schoß gefalteten Händen völlig regungslos dasaß. Ihre Augen waren geschlossen, die Lider so fest zugekniffen, dass sich ihre Stirn zu senkrechten Runzeln zusammenzog. Er bemerkte ein
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