Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
Königs Cetshwayo im Jahre 1879 verschwand das Amulett, und unsere hiesigen Quellen haben uns den Eindruck vermittelt, seine Macht sei den Anführern verschiedener Untergrundorganisationen verliehen worden. Angesichts der jüngsten Todesfälle unter unseren Kriegshelden bleibt nur die Vermutung, dass das abschließende Blutritual durchgeführt wurde und dass diejenigen, die es zur Vollendung gebracht haben, entweder mit Dingane oder Mhlangana verwandt sein müssen oder – wenn man die immense Macht des Amuletts bedenkt – mit König Shaka selbst.
Das Amulett zitterte in seiner Hand. Brauchte man tatsächlich nicht mehr, um ein Gott zu werden? Nur einen Tropfen Blut eines toten Wilden auf der Stirn und über dem Herzen, und schon sollte er in der Lage sein, die Kräfte der Natur zu beschwören? Dann wäre er unbesiegbar.
Das Trommeln in seinen Ohren wurde lauter.
Seine Fantasie ging mit ihm durch. So musste es sein.
Unseren Informationen zufolge wäre der Träger – vorzugsweise mit dem Amulett im ungetrübten Schein des zunehmenden oder vollen Mondes – in der Lage, an seinen Feinden Rache zu nehmen. Das Ritual muss damit beginnen, dass der Name der betreffenden Person laut ausgesprochen wird …
»Agent Campbell?«
Der Schrei, den Bruce ausstieß, wollte nicht so recht zu seinem Ruf eines raubeinigen Faustkämpfers passen. Obendrein verlor er das Gleichgewicht und fiel hart auf den Hintern, der Bericht landete in der Kiste, das Amulett hielt er fest ans Herz gedrückt.
»Agent Campbell«, wiederholte Dr. Sound mit zur Seite geneigtem Kopf, »wären Sie vielleicht so freundlich, mir zu erklären, warum Sie – unbeaufsichtigt – hier unten im Archiv sind und in einer Fallakte stöbern?« Er rückte seine Brille zurecht und musterte das Amulett, das Bruce geistesabwesend umklammerte. »Von einem Fall, den Sie noch nicht einmal bearbeitet haben.«
Bruce schaute auf das Ding in seiner Hand und warf es hastig zurück in die Kiste. »Äh, ja, Dr. Sound, ich wollte nur … « Die Worte blieben ihm im Hals stecken. Sein Blick huschte zu seiner Brust.
»Da es sich hier unten um den ungetrübten Schein der Gaslampen und nicht des Mondes handelt«, witzelte Dr. Sound, »dürften Sie – und jeder, mit dem Sie gegenwärtig irgendwelche Differenzen auszutragen hätten – vollkommen sicher sein.«
»Oh, gut«, murmelte Bruce zur Antwort und legte den Deckel wieder auf die Kiste.
»Sehen Sie bloß zu, dass alles wieder an seinen rechten Platz kommt.« Kichernd fügte Sound hinzu: »Damit Sie nicht den Zorn unseres guten Archivars und seiner Assistentin auf sich ziehen.«
Bruce warf dem fetten Mann einen knappen Blick zu und stellte die Kiste zurück ins Regal.
Er überragte Sound um Haupteslänge, aber irgendwie gelang es dem Doktor dennoch, ihn höllisch einzuschüchtern.
»Sie standen gerade im Begriff, meine ungeteilte Aufmerksamkeit zu erlangen, indem Sie mir erklären, warum Sie sich – unbeaufsichtigt – im Archiv zu schaffen machen.«
Bruce musste sich dringend in die innere Haltung versetzen, die er einnahm, wenn während einer Observation zufällig ein Gegner über ihn stolperte. Zugegeben, für gewöhnlich war sein erster Impuls, ihm einen Faustschlag zu verpassen; aber da er diesmal den Direktor des Ministeriums vor sich hatte, blieb ihm diese Lösung wohl verwehrt.
»Nun, Dr. Sound, ich habe über einen Wechsel meines Aufgabenbereiches – Südpazifik – nachgedacht.«
»Ach ja?«, spöttelte Sound. »Und da haben Sie an die Kapkolonie gedacht?«
Wenn Bruce nicht vorsichtig zu Werke ging, konnte ihm diese Lüge ohne Weiteres eine Versetzung einhandeln, und dann wäre er geliefert. »Eigentlich bin ich nur heruntergekommen, um Books zu bitten, mir wahllos ein paar Fälle aus meinem ersten Jahr rauszusuchen. Sie wissen schon, nur um mal darauf zurückzublicken, womit ich damals beschäftigt war. Wollte sehen, was mich am meisten beeindruckt hat.«
An Dr. Sounds stoischer Miene änderte sich nichts. »Nun, Agent Campbell, ich hatte ja keine Ahnung, welch feinsinniger Mann Sie sind. Doch ich nehme an, für einen Geheimagenten ist es keineswegs ungewöhnlich, ein paar Geheimnisse für sich zu behalten, nicht wahr?«
Bruce kam langsam ins Schwitzen, aber er zuckte nur die Achseln und antwortete: »Vermutlich.«
Als er gerade zu Books’ und Brauns Schreibtisch gehen wollte, sah er hinter Sound einen Koffer im Gang stehen. »Ist das Ihrer, Direktor?«
»Bitte?« Jetzt war es an Dr. Sound,
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