Books & Braun: Das Zeichen des Phönix (German Edition)
Archivar setzte eine strenge Miene auf. »Es tut mir schrecklich leid, aber ich habe keine andere Wahl – ärztliche Anweisung.«
»Eigens aus diesem Grund haben wir einen Logenplatz.« Eliza griff den Faden sofort auf und spann ihn weiter. »Mein Mann muss es bequem haben.« Ein kleines Lächeln, eine kleine Pose, die seinen Blick auf ihren Busen und die darauf ruhenden Juwelen lenkte, und schon schmolz der Jüngling dahin.
»Nun, ich bin sicher, wir können aus medizinischen Gründen eine Ausnahme machen.« Er reichte Wellington ein gelbes Kärtchen. »Geben Sie das der Platzanweiserin.« Er beugte sich leicht vor und fügte in gedämpftem Tonfall hinzu: »Einige Besucher bestehen sogar darauf, ihre Hunde mit hineinzunehmen, daher gehe ich davon aus, dass dieser Koffer kein Problem sein sollte.«
»Ziemlich clever, Wellington Books«, murmelte Eliza, als sie das Hauptfoyer durchquerten. Sie war ehrlich beeindruckt von seinen schauspielerischen Fähigkeiten. Und der Blick, mit dem er sie bedachte, sprach von ungeheurem Stolz.
Nachdem Eliza und Wellington sowohl ihre regulären als auch die irregulären Eintrittskarten abgegeben hatten, betraten sie die geheiligten Hallen. Die Oper, die erst im Jahr zuvor eröffnet worden war, zog Unmengen begeisterter Menschen an – jedoch nicht allein aus Gründen kultureller Unterhaltung. Die Leute kamen her, um gesehen zu werden. Niemand eilte zu seinem Platz. Die Besucher schlenderten in aller Ruhe umher, bewunderten entweder die prächtige Einrichtung oder plauderten und tratschten mit Bekannten. Und die Innenausstattung des Gebäudes war in der Tat vom Feinsten: Scharlachrote Stoffe, goldene Verzierungen, hohe Bögen und gewölbte Decken beeindruckten den Betrachter. Die Ehrenlogen, von denen sich jeweils sechs zu beiden Seiten der Bühne befanden – paarweise gruppiert in drei Reihen –, wurden von halb nackten Göttinnen getragen. Einige Logen präsentierten deutlich sichtbar das Familienwappen derer, die bereit gewesen waren, einen exorbitanten Preis für das Privileg einer eigenen Loge zu zahlen.
»Sehen Sie es?«, flüsterte Wellington, legte ihr einen Arm um die Taille und lotste sie hinüber.
»Ja«, erwiderte sie genauso leise.
Auf der linken Seite – mittlere Reihe, mittlere Säule – schimmerte und glänzte der goldene Phönix im Schein des prächtigen Kronleuchters. Gegenwärtig war die Loge leer.
»Also«, bemerkte Eliza mit gedämpfter Stimme, »für einen Geheimbund verhalten die sich aber nicht besonders heimlich.«
»Selbstüberhebung ist doch etwas Wunderbares, nicht wahr? Und nur uns fällt es auf, weil wir wissen, wonach wir zu suchen haben. Aber nun zu unserem nächsten Problem: Wir müssen in die Loge direkt darüber.« Wellington klopfte bedeutungsvoll auf seinen Koffer.
»Müssen wir?«
»Unbedingt.« Sein Gesichtsausdruck duldete keine weitere Diskussion. Was immer er in diesem mysteriösen Ding haben mochte, er war sich seiner Sache vollkommen sicher.
»Also schön.« Eliza klappte ihren Fächer auf und wandte sich ab, bereit, das Unmögliche geschehen zu lassen, wie gewöhnlich.
»Liebling«, der Archivar zog sie an sich, »bitte beeil dich«, sagte er für die Ohren der anderen Operngäste, die sich in Hörweite befanden. In ihr Haar murmelte er jedoch: »Bitte, bringen Sie niemanden um.«
Mit einem bezaubernden Lächeln auf den Lippen schritt Eliza davon. Er kennt mich wirklich nicht – Harry wüsste genau, wie weit ich gehen würde. Sie seufzte und schlängelte sich durch die Menge. Dabei war es im Grunde doch ganz einfach: Sie musste nur am Eingang zu den Ehrenlogen stehen, die Eintrittskarten in der einen Hand halten, ihr Taschentuch in der anderen und einen mitleiderregenden Eindruck machen. Bereits beim zweiten Versuch hatte sie die richtigen Leute gefunden.
Ein hochgewachsener älterer Herr in einer überaus eleganten Abendgarderobe und seine zierliche Gattin in einem leuchtend blauen Kleid blieben stehen, als Eliza sie höflich fragte: »Entschuldigen Sie bitte vielmals, aber haben Sie eventuell Loge Nummer fünf gebucht?«
»Ganz recht«, antwortete er.
Eliza hielt ihre Eintrittskarten hoch und ließ ihr Kinn ein wenig beben. »Ich habe mich gefragt, ob es Ihnen wohl etwas ausmachen würde, Ihre Loge mit unserer zu tauschen.«
Der Gentleman warf einen Blick auf Elizas Eintrittskarten. »Aber diese Plätze sind …«
Und von da an kam ihr schauspielerisches Talent erst richtig zum Einsatz. Sie drehte sich um und
Weitere Kostenlose Bücher