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Boomerang

Boomerang

Titel: Boomerang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewis
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Anleihegläubigern schuldeten: 26 Milliarden Euro. Sobald die Anleihen vollständig getilgt waren, schloss sich ein Fenster für die irische Regierung. Eine Bankenpleite würde von nun an nicht mehr die Zahlungsunfähigkeit privater Investoren nach sich ziehen, sondern die Rechnung würde direkt den europäischen Regierungen präsentiert. Genau aus diesem Grund gibt es übrigens in Dublin so viele wichtig anmutende, allein zu Abend esssende Ausländer. Jeder von ihnen ist hier, um dafür zu sorgen, dass irgendwer sein Geld wiederkriegt.
    Ein Maßstab dafür, wie schwer es den Iren fällt, ihre ausländischen Finanzregenten vor den Kopf zu stoßen, ist die Geschwindigkeit, mit der Burton sich weigert, einen solchen Ausfall auch nur anzudenken. Sie ist in keinster Weise für die privaten Schulden der Banken verantwortlich, und dennoch – bei der leisesten Andeutung der Möglichkeit, sich Verpflichtungen einfach zu entziehen, scheut sie schon zurück. Ja, sie steht sogar auf und geht. »Oh, ich muss weiter«, sagt sie. »Ich habe einen Termin beim Finanzminister zur Überbringung der schlechten Nachrichten.« Lenihan hat eine nichtöffentliche Sitzung mit der Opposition beantragt, damit deren Anführer als Erste Näheres über den drakonischen neuen Haushalt Irlands erfahren. Diese Sitzung findet aber nicht im Parlamentsgebäude statt, wo die Medien in Schach gehalten werden könnten, sondern in einem nahe gelegenen Haus, das von Medienvertretern belagert werden kann. »Wir wollten die Sitzung hier abhalten, aber er hat sie nach draußen verlegt«, sagt Burton. »Er will uns als Überbringer der Hiobsbotschaft einsetzen |131| – beim Hinausgehen sollen wir sie den Journalisten mitteilen.« Sie lächelt. »Das hat er sich clever ausgedacht.«
    ***
    Brian Lenihan war einer der wenigen irischen Politiker, die sich noch im Dunstkreis der Macht befanden und bei den Menschen aufs Dublins Straßen nicht schon allein durch ihr Auftreten Stürme der Verachtung oder des Gelächters auslösten. Seinen Job hatte er erst wenige Wochen vor der Krise übernommen und wurde daher nicht für ihre Entstehung verantwortlich gemacht. Er war Jurist, kein Finanzmanager oder Immobilienspezialist, und konnte sich nachweislich gut über Wasser halten, ohne Schmiergelder von Bauträgern zu kassieren. Er stammte aus einer politisch engagierten Familie, die ihrem Land in Ehren gedient haben soll – oder zumindest ohne die Politik zur persönlichen Bereicherung zu missbrauchen. Im Dezember 2009 wurde bei ihm Bauchspeicheldrüsenkrebs festgestellt. Jeder, der jemals auch nur flüchtig Kontakt zu einer irisch-katholischen Familie hatte, weiß, dass das Familienmitglied, dem das Schicksal zuletzt am übelsten mitgespielt hat, praktisch Narrenfreiheit genießt. Es kann tun und lassen, was es will, und der Rest der Familie schweigt gequält dazu. Seit der Nachricht von der Erkrankung Lenihans – die kam, als er selbst erst wenige Tage Bescheid wusste, und offenbar noch bevor er seine Kinder in Kenntnis setzte – war er weitgehend aus der Schusslinie. Die öffentlichen Meinungsumfragen, in denen die Iren den Finanzminister deutlich positiver beurteilen als andere Politiker seiner Partei, zeugten von einem verbreiteten unausgesprochenen Respekt vor seiner Tapferkeit. 4
    |132| Doch Brian Lenihan war auch trickreich, wie Joan Burton anmerkte. Es geht schon auf 20 Uhr zu, als ich mit ihm in einem Besprechungszimmer des Finanzministeriums zusammentreffe. Er hat fast den ganzen Tag lang die härtesten Einschnitte bei den Ausgaben und die größten Steuererhöhungen in der irischen Geschichte vor Irlands Politikern verteidigt, ohne sich genauer dazu zu äußern, wer konkret für die Verluste der Banken einstehen wird. (Damit wartet er bis nach der einzigen Nachwahl, die mit Genehmigung des Dáil abgehalten wird.) Er lächelt. »Warum interessieren sich alle so für Irland?«, fragt er beinahe unschuldig. »Uns wird derzeit wirklich viel zu viel Interesse entgegengebracht.«
    »Vielleicht, weil Sie interessant sind?«, kontere ich.
    »Aber nein«, sagt er ganz ernst. »Das sind wir doch gar nicht.«
    Und dann versucht er, den Zusammenbruch der irischen Wirtschaft möglichst zu bagatellisieren. Diese eigenartige soziale Verantwortung zur Verharmlosung einer Monstrositätenschau ist heute wesentlicher Bestandteil der Aufgaben eines irischen Finanzministers. Gerade als der durchgeknallte Onkel aus dem Keller entkam, stolperte die betrunkene Tante durch die

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