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Boomerang

Boomerang

Titel: Boomerang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewis
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Vordertür. Vor den Augen der versammelten Familie und vieler einflussreicher Gäste stürzten sie sich aufeinander und metzelten sich mit ihren Jagdmessern nieder. Jetzt muss der treu sorgende Familienvater den Augenzeugen dieser Tat einreden, dass sie gar nicht gesehen haben, was sie glauben, gesehen zu haben.
    Doch die Anzeichen dafür, dass in Irland gerade etwas ausgesprochen Fragwürdiges passiert ist, sind allzu deutlich. Keine zwei Kilometer von dem Konferenztisch entfernt, an dem wir uns zusammensetzen, ist immer noch die Mondlandschaft |133| aus riesigen zwei Jahre alten Kratern zu sehen, wo vordem Büroparks entstehen sollten. Komplett fertiggestellte Wolkenkratzer stehen leer, in ihren Eingangshallen sammelt sich das Wasser. Das Skelett eines Hochhauses ragt empor, auf beiden Seiten von je einem Kran flankiert, förmlich in Klammern gesetzt. Dort wollte die Anglo Irish Bank einziehen. Ein leer stehendes neues Konferenzzentrum, das 75 Millionen Euro an Baukosten verschlungen hat, wurde nie an das Kanal- und Wassersystem Dublins angeschlossen. Für eine städtische Mülldeponie zahlte ein Bauträger 2006   412 Millionen Euro. Sie ist heute einschließlich der Sanierungskosten
minus
30 Millionen Euro wert. »Irland ist ein absoluter Ausnahmefall«, meint William Newsom, der 40 Jahre Erfahrung in der Bewertung von Immobilien für Savills in London hat. »Es gibt ganze Landstriche mit unerschlossenen Grundstücken, für die eine Planungsgenehmigung vorliegt, oder mit teilerschlossenen Anwesen, die praktisch keinen Wert haben.« Auf seinem Höhepunkt ist der irische Wahn wie in einer Zeitschleife gefangen und kann nun von der Allgemeinheit besichtigt werden. Es gibt sogar eine leere Starbucks-Filiale im Herzen eines Viertels, das als globales Finanzzentrum London Konkurrenz machen sollte; dort gerinnt allmählich ein Karton Magermilch neben einer silbernen Barista-Kanne. Genauso gut könnte der Finanzminister vor Pompeji stehen und behaupten, der Vulkanausbruch sei nicht der Rede wert gewesen.
Das bisschen Lava!
    ***
    Tatsächlich sagt er: »Wir sind hier nicht in Island. Wir sind kein Hedgefonds, der von 300   000 Bauern und Fischern bevölkert wird. Irland fällt nicht in die 80er oder 90er Jahre zurück. Das hat viel kleinere Dimensionen.« Dann ergeht er |134| sich in einem Monolog, der im Grunde auf Folgendes hinausläuft: Irlands Probleme sind lösbar, und ich habe die Lage im Griff.
    Im September 2008 war das offensichtlich nicht der Fall. Am 17. September befanden sich die Finanzmärkte im Aufruhr. Zwei Tage zuvor war Lehman Brothers pleitegegangen und die Aktien irischer Banken befanden sich im Sturzflug. Große Konzerne zogen ihre Einlagen ab. An jenem Abend rief Lenihan zu später Stunde bei David McWilliams an, ehemals Research-Analyst bei UBS in Zürich und London. Er war nach Dublin zurückgekehrt und zum Autor und Medienstar avanciert. McWilliams hatte sich zum irischen Immobilienboom unmissverständlich skeptisch geäußert. Zwei Wochen zuvor war er gemeinsam mit Lenihan im Fernsehen aufgetreten. Damals war es ihm so vorgekommen, als sei Lenihan von den Unruhen auf den Finanzmärkten gänzlich unbeeindruckt. Derselbe Lenihan wollte nun bei McWilliams vorsprechen, um sich Rat zum weiteren Vorgehen hinsichtlich der irischen Banken einzuholen.
    In McWilliams’ charmant indiskretem Buch
Follow the Money
wird eine bizarre Szene beschrieben. Lenihan kommt nach 45 Minuten Fahrt aus Dublin am Haus von McWilliams an, marschiert in die Familienküche und zieht einen Strang rohen Knoblauch aus der Tasche seines Jacketts. »Dann begann er das Gespräch mit den Worten, wenn seine Kollegen wüssten, dass er bei mir wäre, gäbe es Krieg«, schreibt McWilliams. Der Finanzminister blieb bis zwei Uhr morgens, schälte und verzehrte Knoblauchzehen und saugte gierig auf, was ihm McWilliams zu sagen hatte. McWilliams beschlich das Gefühl, dass der Minister den Ratschlägen nicht so ganz vertraute, die er aus seinem Umfeld erhielt – und dass er nicht |135| nur besorgt, sondern regelrecht orientierungslos war. Mir sagte er, der Finanzminister sei nach seinem Eindruck »total durcheinander« gewesen.
    Eine Woche später heuerte das irische Finanzministerium Investmentbanker von Merrill Lynch als Berater an. Böse Stimmen würden sagen, wer 2008 Merrill Lynch um Finanzberatung bat, hatte ohnehin Probleme, doch das wäre nicht ganz fair. Schließlich arbeitete dort der Bankenanalyst, der die irischen Banken am

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