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Boomerang

Boomerang

Titel: Boomerang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewis
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Privatunternehmen, sondern entweder staatliche Landesbanken oder kleine Sparkassen. Die Commerzbank, die Dresdner Bank und die Deutsche |174| Bank, die in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts gegründet wurden, waren die einzigen privaten Großbanken. Im Jahr 2008 wurde die Dresdner Bank von der Commerzbank geschluckt, doch da beide bergeweise faule amerikanische Anlagen besaßen, musste die fusionierte Bank vom Staat gerettet werden. »Bei uns gibt es keinen Eigenhandel«, erklärt mir Müller und bringt damit die Ursache für die Fehler der deutschen Banken auf den Punkt. »Warum sollte jemand einem 32 Jahre alten Händler 20 Millionen Dollar zahlen? Er benutzt die Büros, die Technologie und die Visitenkarte mit einem erstklassigen Namen. Wenn man ihm die Visitenkarte wegnimmt, kann er vielleicht noch Hot Dogs verkaufen.« Ich staune: Der Chef der zweitgrößten deutschen Privatbank hält nichts davon, Bankern astronomische Gehälter zu zahlen.
    Dann gesteht er mir, warum die Finanzkrise das Weltbild vieler deutscher Banker erschüttert hat. Anfang der siebziger Jahre besuchte er die neu eröffnete Filiale der Commerzbank in New York, die erste Wall-Street-Filiale eines deutschen Geldinstituts. Er bekommt fast feuchte Augen, wenn er sich daran erinnert, wie die Amerikaner damals Geschäfte machten. Einmal lief ihm ein amerikanischer Investmentbanker, der ihn versehentlich aus einem Handel ausgeschlossen hatte, auf der Straße nach und gab ihm einen Umschlag mit 75   000 Dollar, weil er die deutsche Bank nicht vor den Kopf stoßen wollte. »Verstehen Sie, daher habe ich mein Bild von den Amerikanern«, sagt er mit Nachdruck. Aber in den vergangenen Jahren musste er dieses Bild gehörig revidieren.
    »Wie viel haben Sie verloren?«, frage ich.
    »Das sage ich Ihnen lieber nicht«, erwidert er.
    Er lacht und fährt fort. »Vierzig Jahre lang haben wir auf AAA-Papiere nicht einen Cent verloren. Ab 2006 haben wir |175| keine Subprime-Papiere mehr in unser Portfolio aufgenommen. Ich hatte eine Ahnung, dass mit eurem Markt etwas nicht stimmt.« Er macht eine Pause, ehe er weiterspricht. »Ich hatte immer geglaubt, New York hätte das am besten kontrollierte Bankwesen. Die Notenbank und die Börsenaufsicht waren für mich beispiellos. Ich konnte nicht glauben, dass Investmentbanker in ihren E-Mails schrieben, dass sie Dreck verkaufen. Das war meine größte berufliche Enttäuschung. Ich hatte ein viel zu positives Bild von den Vereinigten Staaten. Ich dachte, in den Vereinigten Staaten gebe es feste Werte.«
    Das Weltfinanzsystem ist nicht nur dazu da, um Kreditgeber und Kreditnehmer zusammenbringen. Seit einigen Jahrzehnten dient es auch zunehmend dazu, den Starken die Schwachen zur Ausbeutung zuzuführen. Clevere Händler an der Wall Street erfinden unfaire und teuflisch komplizierte Papiere und schicken dann ihre Händler in alle Welt los, um nach einem Deppen zu suchen, der sie kauft. In den letzten Jahren saß ein unverhältnismäßig großer Teil dieser Deppen in Deutschland. Wie Aaron Kirchfeld, Frankfurt-Korrespondent von Bloomberg, erzählte: »Die New Yorker Investmentbanker haben sich einen Witz daraus gemacht zu sagen: ›Diesen Scheiß kauft doch niemand. Moment mal! Doch, die Landesbanken!‹« Als Morgan Stanley seine undurchschaubaren Credit Default Swaps erfand, die auf einen Ausfall angelegt waren, damit die Händler der Investmentbank im Eigenhandel dagegen wetten konnten, drehten sie diese Papiere überwiegend Deutschen an. Und als Goldman Sachs zusammen mit dem Hedgefonds-Manager John Paulson eine Anleihe auflegte, gegen die er selbst wetten konnte und auf deren Ausfall er hoffte, war der Käufer die deutsche IKB. Genau wie die WestLB, ein anderer legendärer Zahlmeister am Pokertisch |176| der Wall Street, hat die IKB ihre Büros in Düsseldorf. Wenn man während des Booms einen cleveren Wall-Street-Banker fragte, wer eigentlich diesen ganzen Scheiß kaufte, hätte der einfach sagen können: »Die Deppen aus Düsseldorf.«
    ***
    Die Fahrt von Berlin nach Düsseldorf dauert länger als gedacht, denn wir geraten in einen langen Stau. Ein deutscher Stau ist ein ganz besonderer Anblick: Niemand hupt, niemand wechselt die Spur, um ein paar Zentimeter gutzumachen, und die LKWs bleiben, wo sie hingehören, nämlich auf der rechten Spur. Der Anblick der blitzenden Limousinen von Audi und Mercedes auf der linken und der tadellosen, fein säuberlich aufgereihten LKWs auf der rechten Spur lässt beinahe

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