Boomerang
zu dieser Zeit stellten die großen Investmentbanken |179| der Wall Street eigene Leute speziell für die IKB-Mitarbei ter ab, die immer ein dickes Bündel Geldscheine dabei hatten, um die deutschen Besucher zu verwöhnen.
Dunbars Artikel erschien in der Zeitschrift
Risk
und beschrieb, wie sich diese unbekannte deutsche Bank zu einem der größten Kunden der Wall Street mauserte. Die IKB war 1924 gegründet worden, um die deutschen Reparationszahlungen an die Alliierten zu versichern, hatte sich später zu einem erfolgreichen Kreditgeber für mittelständische Unternehmen entwickelt und machte nun offenbar eine weitere Metamorphose durch. Die IKB befand sich zwar teilweise im Besitz der Kreditanstalt für Wiederaufbau, doch ihre Geschäfte wurden nicht durch den Staat gedeckt. Es handelte sich offenbar um ein aufstrebendes privates Finanzunternehmen. Unlängst hatte die IKB einen Mann namens Dirk Röthig, einen Manager mit Amerika-Erfahrung (er hatte bei der State Street Bank gearbeitet), an die Spitze geholt, um neue und innovative Wege zu gehen.
Mit Röthigs Hilfe gründete die IKB eine Bank mit dem Namen Rhineland Funding, die in Delaware ihre Niederlassung hatte und an der Börse in Dublin gehandelt wurde. Nur dass sie sie nicht Bank nannte. Hätte sie das getan, hätte vielleicht jemand auf den Gedanken kommen können zu fragen, warum sie nicht der Bankenaufsicht unterstand. Stattdessen nannte sie das Unternehmen »Conduit«, was den Vorteil besaß, dass niemand wusste, was sich hinter dem Wort verbarg. Rhineland Funding lieh sich kurzfristig Geld durch die Ausgabe von sogenannten Geldmarktpapieren und investierte es in langfristigere »strukturierte Finanzprodukte«, womit Anlagen gemeint sind, die über Privatkredite abgesichert werden. Die Investmentbanken der Wall Street, die Rhineland Funding |180| mit Geld versorgten (indem sie den Verkauf der Geldmarktpapiere übernahmen), verkauften Rhineland unter anderem mit Ramschhypotheken gedeckte Wertpapiere. Die Gewinne von Rhineland stammten aus der Spanne zwischen den niedrigen Zinsen, die es für das kurzfristig geliehene Geld bezahlte, und den höheren Zinsen, die es aus diesen Wertpapieren erhielt. Da die IKB die Garantie übernahm, bewertete Moody’s Rhineland mit AAA und ermöglichte es dem Unternehmen so, seine Geldmarktpapiere zu günstigen Zinsen auszugeben.
Der IKB in Düsseldorf kam bei dem Handel eine entscheidende Aufgabe zu: Sie musste ihre Offshore-Bank beim Kauf der Anlagen beraten. »Wir sind die Letzten, die Geld an Rhineland verdienen«, so Röthig in
Risk
, »Aber wir beraten Rhineland so gut, dass wir immer noch einen Gewinn erzielen werden.« Röthig erklärte weiter, die IKB habe in Instrumente investiert, um die immer komplizierteren strukturierten Finanzprodukte zu bewerten, die inzwischen von der Wall Street angepriesen wurden. »Es war eine gute Investition, denn bislang haben wir keine Verluste gemacht«, fügte er hinzu. Im Februar 2004 sah alles noch rosig aus – so rosig, dass auch andere deutsche Banken über Rhineland die mit Ramschhypotheken besicherten Wertpapiere kauften. »Das klingt, als wäre es eine profitable Strategie«, erklärte der Mitarbeiter von Moody’s, der Rhineland die beste Bonität bescheinigt hatte, gegenüber dem Journalisten von
Risk
.
Ich traf Dirk Röthig zum Mittagessen in einem Restaurant in Düsseldorf, an einem mit Geschäften gesäumten Kanal. Die profitable Strategie hat den deutschen Banken nach eigenen Angaben Verluste von rund 35 Milliarden Euro beschert, doch vermutlich sind sie noch höher, da die deutschen Banken nur sehr zögerlich mit Zahlen herausrücken. Vermutlich zu Recht |181| sah sich Röthig nicht als Täter, sondern als Opfer. »Ich habe die IKB im Dezember 2005 verlassen«, sagt er etwas atemlos, während er sich an den kleinen Tisch quetscht. Dann erklärt er.
Er hatte die Idee zur Gründung von Rhineland Funding gehabt. Das Management der IKB habe nach der Idee gegriffen »wie ein Baby nach einem Schnuller«, wie Röthig es ausdrückt. Er hatte die Bank aufgebaut, als der Markt attraktive Zinsen für die strukturierten Finanzprodukte bezahlte – Rhineland wurde für das Risiko, das es einging, gut entschädigt. Aber Mitte 2005, als die Finanzmärkte sich noch immer weigerten, die ersten Wolken am Himmel zu sehen, waren die Risikoprämien weggeschmolzen. Röthig sagt, er habe seinen Vorgesetzten geraten, sich nach anderen Geschäften umzusehen. »Aber sie hatten ihre
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