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Boomerang

Boomerang

Titel: Boomerang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewis
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immer fetter wurde, hörte er nicht auf zu fressen.« Es dauerte nicht lange, da war |232| Henry vollkommen verfettet. Er konnte immer noch essen, so viel er wollte, aber er konnte nicht mehr fliegen. Eines Tages war er verschwunden: Ein Fuchs hatte ihn gefressen.
    Kaum aussichtsfroher ist die zweite Möglichkeit: die Talsohle zu erreichen; uns klarzumachen, was uns passiert ist. Etwas anderes bleibt uns nicht übrig. »Wenn wir uns weigern, uns selbst zu regulieren«, meint Whybrow, »wird unsere Umwelt und der Entzug, den wir durch sie erleiden, unser einziges Korrektiv sein.« Mit anderen Worten: Damit eine nachhaltige Veränderung stattfindet, muss uns unsere natürliche Umwelt das notwendige Maß an Schmerzen zufügen.
    ***
    Im August 2011, in der gleichen Woche, in der Standard & Poor’s die Bonität der US-Regierung herabstufte, segnete ein Richter den Insolvenzplan für Vallejo, Kalifornien, ab. Die Gläubiger der Stadt mussten sich am Ende mit 5, die öffentlichen Bediensteten mit 20 bis 30 Cent pro Dollar begnügen. Die Stadt erhielt überhaupt keine Bewertung mehr von Moody’s und von Standard & Poor’s. Es würde Jahre dauern, die notwendige Erfolgsbilanz aufzubauen, um wieder eine anständige Bewertung durch die Rating-Agenturen zu erzielen. Allerdings spielte das Fehlen jeglicher Bewertung keine große Rolle, denn herumzugehen und sich Geld von Fremden zu leihen, war das letzte, was die Stadt jetzt gebrauchen konnte.
    Mehr aus Neugier als mit einem klaren Ziel vor Augen fuhr ich nach Vallejo zurück und stattete der Feuerwehr einen Besuch ab. Am Beispiel der Feuerwehrleute lässt sich deutlich ablesen, dass unser Sinn für die Gemeinschaft, das Gefühl, ein gemeinsames Ziel zu verfolgen, an einem neuen Tiefpunkt angelangt ist. Man kann sich durchaus vorstellen, dass es zwischen |233| der Polizei und der Gemeinde, zu deren Schutz sie eingestellt wurde, zu Spannungen kommt. Ein Typ, der Polizeibeamter wird, genießt die Machtbefugnis. Er möchte den bösen Buben das Handwerk legen. Ein Mensch aber, der zur Feuerwehr geht, möchte der Gute sein. Er möchte
geliebt
werden.
    Der Feuerwehrmann, mit dem ich an diesem Vormittag sprach, hieß Paige Meyer. Er war einundvierzig Jahre alt, hatte kurz geschnittenes grau meliertes Haar, einen olivfarbenen Teint und Brandnarben auf den Wangen, und er schien mit einem Lächeln geboren zu sein. Er war kein gläubiger Mensch, ebenso wie sich sein politisches Interesse in Grenzen hielt. (»Ich bin nicht unbedingt ein religiöser Typ.«) Wenn es überhaupt so etwas wie eine Religion für ihn gab, war das, neben seiner Familie, sein Beruf. Er war unglaublich stolz darauf und auf seine Kollegen. »Das soll nicht arrogant klingen«, sagte er. »Aber in schöneren Städten hat die Feuerwehr vielleicht einmal im Jahr einen richtigen Brand zu löschen. Bei uns kommt das alle Tage vor.« Die Einwohner von Vallejo sind älter und ärmer als die Bewohner vieler Städte im Umkreis, und noch älter als die Menschen sind die Häuser, in denen sie wohnen. Das typische Wohnhaus in Vallejo ist ein charmantes, höchst brandgefährdetes Holzhaus im viktorianischen Stil. »In dieser Stadt kommst du wirklich zum Einsatz«, sagt Meyer. »Hier ist immer was los.« Die Feuerwehrleute der Stadt waren von ihrem Umfeld geprägt: Sie waren extreme Draufgänger. »Als ich hier bei der Feuerwehr anfing, gingen wir ganz
nah
ran an das Feuer«, erzählt er. »Von uns hättest du nie einen Wasserstrahl von außen gesehen. Wir gingen rein. Klar, wenn so’n Depp anruft, weil er so ein bisschen Halsweh hat, dann lassen wir uns eher Zeit. Aber ich sage dir was über unsere Jungs. Wenn die einen Anruf kriegen, dass |234| ein Baby am Ersticken ist oder ein Zehnjähriger keine Luft mehr kriegt, siehst du besser zu, dass du nicht im Weg stehst, sonst wirst du glatt über den Haufen gerannt.«
    Um sein Studium zu finanzieren, hatte Meyer als junger Mann einen Job als staatlicher Rettungsschwimmer an mittelkalifornischen Seen angenommen. Er dachte, mit der Arbeit wäre nicht viel Aufregung verbunden, aber dann sind die Leute gekommen, haben sich betrunken und versucht, sich zu ersäufen. Ein paarmal waren die Leute, die er aus dem Wasser zog, in so schlechter Verfassung, dass sie vom Rettungsdienst versorgt werden mussten; die Feuerwehr unterhielt eine Station vor Ort. Er fing an, sich mit den Feuerwehrleuten zu unterhalten, und stellte fest, dass sie ihren Job ausnahmslos liebten. »Du gehst hin und

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