Boomerang
bist
lebendig
und bekommst eine zweite Familie. Wie könntest du es nicht lieben?« Er kam 1988 im Alter von achtundzwanzig Jahren nach Vallejo. Er hatte einen gemütlichen Job in Sunnyvale bei San José, wo es nicht sehr oft brannte, aufgegeben, eben weil er unbedingt Feuer löschen wollte. »In anderen Städten war ich nicht wirklich ein Feuerwehrmann«, sagt er. »Aber hier war ich schon im ersten halben Jahr jede zweite Woche um zwei Uhr morgens zum Löschen draußen. Ich konnte es nicht glauben.« Die meisten Häuser in Vallejo sind Holzrahmenkonstruktionen nach dem Balloon-Frame-Prinzip, bei dem die Wandpfosten über mehrere Etagen reichen. Daher gibt es im Inneren des Hauses keine Feuerbarrieren, sodass die vier Innenwände vom Erdgeschoss bis zum Dachboden eine Zugwirkung haben wie ein Kamin. Ein beliebter Anfängerfehler ist es, im Erdgeschoss zu löschen – nur um dann den Blick nach oben zu richten und die Flammen zum Dach hinausschießen zu sehen. »Wenn wir an einem Brandort ankommen, sagen wir: |235| ›Boom! Schickt jemanden hoch ins Dachgeschoss.‹ Weil das Feuer sofort ins Dach hochschießt.«
Meyer hatte diesen Anfängerfehler tatsächlich gemacht. Nicht lange, nachdem er den Job als Feuerwehrmann in Vallejo angetreten hatte, war er eines Tages mit bereits angelegter Atemmaske vom Feuerwehrwagen gesprungen und, wie er dachte, zu einer brennenden Ein-Zimmer-Wohnung gestürzt. Er hatte die Tür aufgebrochen, den Löschstrahl auf das Feuer gerichtet und sich dann gefragt, warum das Feuer nicht ausging. »Die Temperatur hätte sich abkühlen müssen, aber es wurde immer heißer und heißer.« Dicht vor seinem Gesicht liefen kleine Rinnsale über seine Plastikmaske wie Regen auf einer Windschutzscheibe. Feuerwehrleute der alten Schule ließen die Ohren frei, um die Hitze spüren zu können: Die Hitze gab ihnen die entscheidenden Informationen. Meyer konnte die Hitze nur sehen: Sein Helm fing an zu schmelzen. »Wenn dein Helm anfängt zu schrumpeln und er schmilzt, ist das kein Spaß«, sagt er. Wenn ein Helm schmilzt, ist das, abgesehen von allen anderen Problemen, die es mit sich bringt, ein sicheres Zeichen, dass es gleich zum Flashover kommen wird. Bei einem Flashover, erklärt Meyer, »entzünden sich alle brennbaren Materialien im Raum gleichzeitig. Danach bis du eine Ofenkartoffel.« Er benötigte entweder mehr Wasser, oder er musste zusehen, dass er hinauskam. Sein ganzes Ego war jedoch darauf programmiert, im Haus zu bleiben, also blieb er. Sekunden später tauchte zur Verstärkung ein Mann mit einem größeren Löschschlauch auf.
Später wurde ihm klar, welchen Fehler er gemacht hatte: Das Haus besaß drei Stockwerke, aber die Hanglage täuschte über seine wirkliche Größe hinweg, und das Feuer hatte das Dachgeschoss erreicht. »Ich will nicht sagen, dass ich tot gewesen |236| wäre, wenn die Verstärkung nicht in diesem Augenblick gekommen wäre«, meint er. Aber das ist genau das, was er sagt. Die Narben in seinem Gesicht stammen von diesem Brand. »Ich musste lernen, mein Umfeld zu beherrschen«, sagt er. »Ich hatte dieses falsche Gefühl von Sicherheit.«
Wenn man sich um eine Sache kümmert, gewinnt man sie lieb, und er hatte Vallejo lieb gewonnen. Die Spannungen zwischen seiner Gewerkschaft und den Bürgern ging ihm so sehr gegen den Strich, dass er sich wiederholt lautstarke Auseinandersetzungen mit dem Verhandlungsführer der Gewerkschaft geliefert hatte. Meyer fand, dass sich Feuerwehrleute, die dazu neigten, idealistisch und gutgläubig zu sein, leicht übers Ohr hauen ließen. Er fand außerdem, dass das gemeine Fußvolk von beiden Seiten hintergangen worden war: von der Stadt, die in Tarifverhandlungen immer wieder gelogen hatte, und von seinen eigenen Gewerkschaftsvertretern, die sich die Wut der Feuerwehrleute zunutze machten, um vollkommen überzogene Forderungen in die Verträge mit der Stadt einfließen zu lassen. Was völlig unter den Verhandlungstisch fiel, war der Grund, warum sie das taten, was sie beruflich taten. »Wissen Sie was?«, sagt Meyer. »Als ich anfing, wusste ich nicht mal, was man bei der Feuerwehr verdient. Es war mir auch egal. Ich hatte auch keine Ahnung von den Lohnzusatzleistungen. Um vieles, was heute politisiert wird, habe ich mir überhaupt keine Gedanken gemacht. Ich hatte nur meinen Traumjob im Sinn. Und ich will Ihnen noch etwas sagen: 2007 war es den Leuten völlig egal, was ich verdiene. Und wenn mein Jahresgehalt sechsstellig gewesen
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