Borderlands
der Angela wehgetan hat.«
Sie sah mich
wieder an, und Tränen traten ihr in die Augen. »Angela hat gesagt, Daddy hat
ihr zugesehen.«
»Ihr
zugesehen?«
Sie nickte
ernst. »Im Haus. Er hat ihr zugesehen, wenn sie ins Bett gegangen is.« Nun
liefen ihr die Tränen übers Gesicht, aber sie ließ sie einfach laufen.
»Wolltest du
mir das neulich sagen?«, fragte ich, und sie nickte schüchtern. Dann veränderte
sich ihr Gesichtsausdruck, und ihr Blick richtete sich auf einen Punkt über und
hinter mir.
»Du sollst
nicht mit fremden Leuten reden, Muire!«, sagte Sadie. Sie drängte sich an mir
vorbei, packte das Mädchen am Handgelenk, zog es auf die Füße und gab ihm einen
festen Klaps auf die Beine unterhalb des Pos, wobei das Kleid des Mädchens den
Schlag größtenteils abfederte. »Und jetzt rein.«
Sadie
marschierte hintendrein und ließ mich im Garten stehen. Ich sah mich um – der
Nachbar stand immer noch an der Hecke und lächelte mir zu. »Kann ich Ihnen
helfen, Sir?«, fragte ich.
Immer noch
lächelnd schüttelte er den Kopf. »Nein. Ich fand es nur sehr unterhaltsam.«
»Würden Sie es
auf der Polizeiwache noch unterhaltsamer finden?«
»Ach, verpiss
dich, du Arsch«, sagte er und verschwand in seinem Haus.
Als ich wieder auf der Polizeiwache war,
erfuhr ich, dass Costello mir zwei Uniformierte zugeteilt hatte, die mich
Vollzeit bei den Ermittlungen unterstützen sollten. Bei Bedarf durfte ich aber
auch andere Kollegen in Anspruch nehmen. Während er mir das erzählte, saßen die
zwei vor seinem Büro. Ich kannte beide recht gut.
Die Dienstältere war Sergeant Caroline
Williams. Sie war in Lifford geboren, nunmehr seit acht Jahren bei An Garda und
erst kürzlich befördert worden. Costello wies darauf hin, dass sie von Nutzen
sein könnte, falls ein Sexualdelikt im Spiel war, was immer wahrscheinlicher
wurde. Ich mochte Caroline. Sie war geradeheraus und gut im Umgang mit der
Öffentlichkeit. Glücklicherweise hatte kein braver Bürger sie, anders als ich,
dabei gesehen, wie sie einen über einen Meter achtzig großen Rocker zur Raison
geprügelt hatte. Er hatte versucht, bei seiner Ex-Freundin einzubrechen, und
danach randaliert. Vermutlich hätte er sie wegen schwerer Körperverletzung angezeigt,
hätte er damit nicht öffentlich eingestanden, dass er wegen einer einen Meter
fünfundsechzig großen Frau heulend und mit gebrochener Nase vor dem Haus liegen
geblieben war.
Doch während
Williams Männer, die ihre Ehefrauen schlugen, im Dienst derart bestrafte, wurde
sie selbst jahrelang jeden Abend von ihrem Ehemann geschlagen, einem faden,
frustrierten Verkäufer, der es zufrieden war, seine Frustration an der Frau auszulassen,
die ihm einen Sohn geschenkt hatte, der ihm kaum etwas bedeutete. Caroline
Williams erzählte niemandem davon, doch einer der Sergeants bemerkte blaue
Flecken an Armen und Hals, und einige Abende später setzten wir in der Kneipe
das Puzzle zusammen. Idiotischerweise statteten vier von uns, angestachelt
durch den Mut, den ein paar Biere einem verleihen können, ihrem Haus einen
Besuch ab und erteilten Simon Williams eine Lektion, damit er kapierte, dass
wir Gardai zusammenhalten und wie es sich anfühlt, wenn der Spieß einmal
umgedreht wird. Während wir uns am nächsten Morgen noch zu dieser kollegialen
Tat beglückwünschten, versuchte Caroline Williams mit Make-up die beiden blauen
Augen zu kaschieren, die ihr Mann ihr verpasst hatte, weil er dachte, sie hätte
uns auf ihn gehetzt. Wir mischten uns nie wieder in die Angelegenheiten der
Familie Williams.
Dann kam
Caroline eines Abends mit ihrem kleinen Sohn Peter in die Polizeiwache und
schlief in einer Zelle, um Simons neuestem Wutanfall zu entgehen. Am nächsten
Morgen stattete Costello ihm einen Besuch ab. Niemand weiß, was zwischen den
beiden vorgefallen ist, doch am folgenden Wochenende hatte Simon Williams
Lifford verlassen und war nach Galway gezogen.
Der zweite zu
meiner Unterstützung abgestellte Garda war Jason Holmes, der vor achtzehn
Monaten von Dublin nach Letterkenny gezogen war. In Dublin hatte er beim
Rauschgiftdezernat gearbeitet und sich einen Namen gemacht, weil er daran
beteiligt gewesen war, einen Drogenhändler zur Strecke zu bringen, der mit dem
Mord an einem Staranwalt in Verbindung gebracht wurde. Holmes war kurz darauf
von Dublin hierher gezogen, teils zum Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen, aber
auch, wie er mir einmal erzählte, weil er das Großstadtleben satt gehabt
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