Borderlands
durchzulesen. Sie las ihn zwei Mal, beide Male blätterte sie
mit verwirrter Miene hin und her, um irgendetwas zu überprüfen.
An ihrer Miene
erkannte ich, dass ihr da etwas nicht logisch schien. »Was ist los, Debs?«,
fragte ich sie. Als sie antwortete, wurde mir klar, was die ganze Zeit an mir
genagt hatte, seit Costello am Vormittag die Fakten durchgegangen war.
»Warum hat er
ein Kondom benutzt?«, fragte Debbie. »McKelvey. Warum hätte er ein Kondom
benutzen sollen? Nach dem, was hier steht, war es ihm egal, ob seine
Freundinnen schwanger wurden. In gewisser Weise scheint er sogar stolz darauf
gewesen zu sein. Zumal er ja gedacht hat, sie wäre schwanger. Ein Kondom zu
benutzen, wenn die Frau schon schwanger ist, ist doch sinnlos.«
Etwas lief mir
kalt den Rücken herunter und setzte sich tief in mir fest, sodass ich
unwillkürlich erschauerte.
»Es sei denn,
es hatte was mit Aids zu tun. Oder mit einer anderen Geschlechtskrankheit«,
schlug Debbie vor, doch ich wusste jetzt, dass das nicht der Fall war.
»Nein«, sagte
ich. »Mir hat die gleiche Frage zu schaffen gemacht. Wenn er glaubte, dass
Cashell schwanger war, dann hatten sie ganz offensichtlich bereits
ungeschützten Sex gehabt. Warum sollte er sich dann an jenem Abend plötzlich
Sorgen wegen einer Geschlechtskrankheit machen?«
»Vielleicht
wollte er keine Spuren hinterlassen, DNA -Spuren, meine ich.«
Ich dachte
darüber nach, dann schüttelte ich resigniert den Kopf. »Vielleicht. Aber das
würde bedeuten, dass er vorgehabt hätte, sie zu töten; dass er es geplant hätte
und wusste, er würde ein Kondom tragen müssen, damit er nicht erwischt wird.
Das passt nicht zusammen. Wir gehen davon aus, dass es ein Unfall war, ein
Drogen-Trip, der schiefgegangen ist. Denn letzten Endes hatte McKelvey keinen
Grund, sie umzubringen. Das ist es, was nicht im
Bericht steht. Er hatte kein Motiv.«
»Er hat
gedacht, sie sei schwanger. Vielleicht hatte er Angst, sie würde es jemandem
erzählen?«, schlug Debbie vor.
»Gerade dieser
Junge hätte es jedem erzählen wollen . Noch eine Kerbe
in seinem Bettpfosten.« Mein Rücken war schweißnass und kribbelte, und mein
Gesicht glühte. »Das passt nicht auf McKelvey. Wir haben die ganze Zeit die
falsche Spur verfolgt. Ich habe etwas übersehen.« Was ich nicht aussprechen
konnte, war die Tatsache, dass deswegen an einem Weihnachtsmorgen ein Teenager,
den an diesem Mord keine Schuld traf, hatte sterben müssen, während draußen der
Regen auf die Straße geprasselt war.
Ich rief erst mal Costello an und erzählte
ihm von meiner Schlussfolgerung. Er hörte mir zu, fluchte und befahl mir dann,
die Sache bis zum Morgen so zu belassen, damit er darüber schlafen konnte. Wir
verabredeten uns für acht Uhr morgens in der Polizeiwache. Ich fragte ihn nach
Holmes und erfuhr, dass man ihn, wie besprochen, bis zu einer Untersuchung bei
vollen Bezügen vom Dienst suspendiert hatte. Costello hatte ihn weder auf die
Prügel angesprochen, noch hatte Holmes ihm davon erzählt.
Als Nächstes
rief ich Williams an, um sie auf den neuesten Stand zu bringen. Im Hintergrund
hörte ich Musik, irgendeinen Dinner-Jazz. Williams klang leicht beschwipst, und
ich hörte ihre Hand über die Sprechmuschel reiben, als würde sie sie abdecken,
um mit jemandem zu sprechen.
»Entschuldigung,
Caroline«, sagte ich. »Haben Sie Besuch?«
»Sozusagen«,
antwortete sie und kicherte auf eine mädchenhafte Art, die ich nicht von ihr
kannte.
»Jemand, den
ich kenne?«
»Möglich,
Detective.«
»Ist Holmes
bei Ihnen«, fragte ich, unfähig, die Überraschung in meiner Stimme zu
unterdrücken.
»M-hm«, sagte
sie mit einem leisen Lachen.
»Wie hat er
die Suspendierung aufgenommen?«
»Er ist ein
bisschen sauer. Er muss weiter seine Arbeit machen, aber keiner darf es wissen.
Ziemlich ätzende Situation. Aber er wird schon drüber wegkommen.«
»Hören Sie,
Caroline, das hier ist wichtig. Ich möchte nicht, dass Sie Holmes erzählen, was
ich Ihnen jetzt sage – wenn sich rausstellt, dass McKelvey unschuldig war, wird
das ein schwerer Schlag für ihn sein. Dafür könnte sein Kopf rollen.«
So ausgelassen
sie bisher gewesen war, dies schien sie rasch zu ernüchtern, und sie hörte mir
wortlos zu. Ich bat sie, sich am nächsten Morgen auf der Wache mit mir zu
treffen.
Bevor wir zu
Bett gingen, ging ich hinaus, um Frank einen Hundekuchen und frisches Wasser
für die Nacht zu bringen. Doch als ich die Tür zu dem Schuppen öffnete, in
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