Borderlands
es?«, gab ich zurück.
»Keine Ahnung.
Ich habe sie noch nie gesehen. Ich dachte nur … Na ja, Sie hatten gesagt, wenn
mir irgendetwas einfällt oder auffällt, sollte ich mich an Sie wenden.«
»Sie sind
sicher, dass Sie sie nicht kennen?«, fragte ich nochmals. Ich wollte unbedingt
herausfinden, worin die Verbindung zwischen den Morden, die Bedeutung dieses
Fotos bestand.
»Nein. Ich
habe sie noch nie zu Gesicht bekommen, das schwöre ich.«
»Die Karte war
für Ihren Mann bestimmt, Mrs Boyle. Kennt er sie vielleicht?«
»Ich … ich
weiß nicht«, sagte sie. Der Gedanke schien sie zu bestürzen. »Sie könnte eine
von seinen … Weibern sein. Aber das Foto sieht so alt aus.«
»Könnten wir
mit Ihrem Mann sprechen, Mrs Boyle?«, fragte ich. »Um zu sehen, ob –«
Sie nickte
energisch. »Ach, der kommt nachher. Wegen der Beerdigung morgen.« Sie sah von
Williams zu mir und wieder zu Williams, als könnte sie irgendwo im Raum
zwischen uns eine Erklärung für den Tod ihres Sohnes finden.
Nachdem wir Mrs Boyle versichert hatten, dass
es richtig gewesen war, uns anzurufen, setzten wir uns ins Auto und besprachen
unsere Fortschritte. Es gab keine erkennbare Verbindung zwischen Ratsy
Donaghey, Angela Cashell und Terry Boyle; dennoch hatte jemand die drei
ermordet, und das Foto von Mary Knox war im Zusammenhang mit allen drei
Verbrechen aufgetaucht. Ratsy Donaghey stammte aus derselben Generation wie
Johnny Cashell; Seamus Boyle kannte ich zwar nicht, doch das Foto von Mary Knox
war für ihn, nicht für seine Frau bestimmt gewesen. Ich kam zu dem Schluss,
dass uns jetzt nichts anderes übrig blieb, als Johnny Cashell und Seamus Boyle
damit zu konfrontieren. Zuvor rief ich jedoch Hendry an, um ihn zu fragen, ob
er noch etwas über Knox’ Verschwinden hatte in Erfahrung bringen können. Er
hatte den Vormittag damit verbracht, für mich die Akten über den Fall
durchzusehen.
»Ich hab’s Ihnen ja gestern schon gesagt. Die
Haupttheorie bei den Ermittlungen war eine Beteiligung der IRA . Das bedeutet natürlich, dass wir nie
weitergekommen sind.«
»Sagt Ihnen
der Name Ratsy Donaghey was? Ein Drogi aus Letterkenny.«
»Tony?«
»Das ist er.«
»Der Name ist
ein, zwei Mal gefallen. Eine Nachbarin sagte, sie hätte ihn ein paar Mal bei
ihr gesehen, ehe die Frau verschwand. Allerdings nicht nur ihn«, fügte er
hinzu.
»Noch nichts
über die Kinder?«
»Nein. Ich
tippe darauf, dass sie bei ihr sind, falls sie noch lebt. Ansonsten – eine der
Nachbarinnen hat man nach Knox’ Verschwinden ein paar Tage lang nicht gesehen.
Sie gab an, sie sei nach Dublin zu einer Schwester gefahren. Sie und Knox
standen sich sehr nahe; sie hat offenbar auf die Kinder aufgepasst, wenn Knox
gearbeitet hat. Joanne Duffy hieß sie. Lebt jetzt irgendwo in Derry. Warum
fragen Sie nach Tony Donaghey?«
»Sein Name ist
auf unserer Seite gefallen.«
»Wie haben Sie
ihn genannt? Ratsy?«, fragte Hendry, und ich erklärte es ihm.
Als Teenager
hatte Donaghey auf den Bauernhöfen bei Lifford Ratten gefangen. An Sommertagen,
wenn es heiß und stickig war, ging er nach Letterkenny und lungerte mit einer
lebenden Ratte in der Jackentasche an Ampeln herum. Wenn eine einzelne
Autofahrerin an der Ampel hielt und wegen der Hitze das Fenster
heruntergekurbelt hatte, warf Donaghey ihr die lebende Ratte auf den Schoß. Im
Allgemeinen bestand die erste Reaktion der Fahrerinnen darin, aus dem Auto zu
springen, ohne den Zündschlüssel zu ziehen. Dann setzte Donaghey sich ins Auto
und fuhr davon. Er hatte das sechs Mal getan, ehe man ihn schnappen konnte. Es
heißt auch, der Polizist, der ihn fing und der heute Superintendent ist, habe
Donaghey als heilsame Lektion mit dem Schlagstock beide Hände gebrochen, damit
er begriff, wie schnell die Justiz im Donegal arbeitet.
»Tja«, meinte
Hendry. »Nach allem, was man hört, war er ja ein richtiger Scheißkerl. Wenn man
zwischen den Zeilen liest, dann gehörte er zu den Verdächtigen, was das
Verschwinden von Knox angeht, neben einigen anderen. Wir hatten ihn als Söldner
der IRA auf der
Liste, bis selbst die ihn rausgeschmissen haben. Allerdings gab es keinen
Beweis, also ist es im Sand verlaufen. Tut mir leid.«
Ich dankte ihm
und beendete das Gespräch. Zwei Mal hatte er nun schon die IRA -Verbindung
erwähnt. Ich sah immer noch nicht, wie das zusammenpassen sollte. Trotzdem fand
ich, es könne nicht schaden, die Sache zu überprüfen. Ich nahm die
Autoschlüssel. Williams sah mich an.
»Ich
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