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Borderlands

Borderlands

Titel: Borderlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B McGilloway
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schließlich bei zwei Pflegefamilien an entgegengesetzten
Enden Dublins unter. Das Mädchen hielt vier Tage durch, der Junge nicht einmal
so lange. Sie hatten beide untröstlich umeinander geweint, und der Junge hatte
sogar seine Pflegemutter tätlich angegriffen, als diese versucht hatte,
tröstend den Arm um ihn zu legen. Und so kamen sie am Ende wieder zusammen,
gewöhnten sich plötzlich besser ein und wirkten zufriedener.
    Das gesamte
Personal von St Augustine’s war sich darin einig, dass die Kinder im Hinblick
auf körperliche Dinge frühreif waren. Sie bedienten sich häufig einer derben
Ausdrucksweise und eines sexuell gespickten Jargons. Den Jungen musste man
mehrfach rügen, weil er den Mädchen unter den Rock geschaut und sich einmal auf
der Mädchentoilette versteckt hatte.
    Man brachte
die Kinder noch mehrmals – erfolglos – in Pflegefamilien unter. Stets waren sie
glücklich, wenn sie wieder in St Augustine’s waren, wo sie vielleicht zum ersten
Mal in ihrem Leben eine gewisse Beständigkeit erlebten. Im Verlauf der nächsten
Jahre verschlug es sie immer wieder einmal in Pflegefamilien, aus denen sie
stets ausrissen, ehe sie Gelegenheit gehabt hatten, sich richtig einzugewöhnen.
Als Sean achtzehn wurde, verließ er St Augustine’s, mietete eine Wohnung in
Dublin und verdiente mit Aushilfsjobs auf Baustellen sein Geld. Als das Mädchen
siebzehn wurde, sah sie die Anzeige einer An-Garda-Rekrutierungsoffensive, und
als sie achtzehn wurde, trat sie eine Ausbildung bei An Garda an.
    »Sie war ein
hübsches Mädchen, Inspector«, sagte Schwester Perpetua, »aber getrieben. Ich
glaube, sie hat gehofft, in An Garda eine neue Familie zu finden. Sie waren
beide schrecklich einsam – wenn sie voneinander getrennt waren. Also … was
haben sie angestellt?«
    Ich war ein
wenig bestürzt, und das spürte sie offenbar. Sie fuhr fort: »Sie sind nicht
tot, das hätten Sie mir gesagt. Ich kann nur annehmen, dass einer von ihnen in
Schwierigkeiten ist – oder beide. Habe ich recht?«
    »Sie hätten
Polizistin werden sollen«, sagte ich.
    »Mir fällt
auf, dass Sie meine Frage nicht beantwortet haben.«
    »Ich weiß«,
entgegnete ich lachend.
    »Na schön«,
meinte sie. »Ich habe verstanden. Aber würden Sie mir einen Gefallen tun? Sie
werden mich wahrscheinlich für so eine halbgare Liberale halten, aber
beurteilen Sie die Kinder nicht zu streng. Sie haben einen ziemlich miserablen
Start im Leben gehabt, verstehen Sie?«
    Ich dankte Schwester Perpetua und legte auf.
Ich konnte ihre letzten Worte nicht einfach abtun, auch wenn ich mir sagte, ich
müsse mir mein Mitgefühl in erster Linie für Angela Cashell und Terry Boyle
statt für irgendjemand anders aufsparen. Doch gleichgültig, wohin es den Bruder
verschlagen hatte – nun wusste ich, dass Aoibhinn Knox 1992 achtzehnjährig zu
An Garda gegangen war.
    Ich suchte in der ganzen Polizeiwache nach
Williams, doch sie war nirgends zu finden. Es war bald siebzehn Uhr dreißig,
und ich wollte noch vor Feierabend jemanden im An-Garda-Ausbildungszentrum in
Templemore erreichen. Ein Sergeant O’Neill stellte sich mir vor und hörte mir
zu, während ich erklärte, dass ich einen Namen von der Liste der Neuzugänge des
Jahres 1992 sowie Angaben zum gegenwärtigen Einsatzort der Person benötigte. Er
erzählte mir, die Schule verfüge nur über Angaben zum ersten Einsatzort ihrer
Zöglinge, falls mir das weiterhelfen würde. Er bat mich zu warten, und ich hörte mir
einige Minuten Musik vom Band an, ehe er wieder an den Apparat kam und mir
bestätigte, dass Aoibhinn Knox zu jenem Ausbildungsjahrgang gehört hatte und
ihr erster Einsatzort Santry gewesen war.
    Ich dankte ihm
und rief in Santry an, wo ich darum bat, mit dem für die Neuzugänge zuständigen
Vorgesetzten verbunden zu werden. Erneut musste ich warten, ehe sich
schließlich Superintendent Kate Mailey meldete.
    »Es kann nicht
allzu viele weibliche Superintendents geben, Ma’am«, sagte ich, nachdem ich
mich vorgestellt hatte.
    »Bis jetzt
sind wir nur vier«, erwiderte sie. »Aber wir machen die gleiche Arbeit wie die
hundertsiebzig Männer in unserer Position.«
    »Daran zweifle
ich nicht, Ma’am«, sagte ich. »Ich benötige Informationen über die Versetzung
einer Polizistin, die bei Ihnen ihre erste Stelle angetreten hat.«
    »Ich weiß«,
sagte sie. »Der Sergeant hat es mir gesagt. Ich kenne jeden Neuzugang und
Abgang in den letzten rund zwanzig Jahren. Nach wem suchen Sie?«
    »Nach Aoibhinn
Knox.

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