Borderline ein Narco-Thriller
sie herab, während sie sich durch den dichten Urwald schlagen. Obwohl es nur etwa fünfhundert Meter von der Schlammpiste bis zum Labor sind, ist Diego schon nach der Hälfte des Wegs bis auf die Unterhose durchnässt. Bemüht, den vorauslaufenden Malik nicht aus den Augen zu verlieren, und gleichzeitig acht gebend, nicht auf einer nassen Wurzel auszurutschen, keucht er durch die dampfende Hölle.
Sie sind umfangen von einer wie lebendig wirkenden Wand aus Blattwerk, Bäumen und mannshohen Gräsern, in allen erdenklichen Grün- und Brauntönen schimmernd. Diego stapft fluchend weiter und verwünscht zum wiederholten Mal den Versager, der vergessen hat, die wasserdichten Ponchos einzupacken. Er wischt sich einen von Malik zurückschwingenden Palmwedel aus dem Gesicht und läuft dabei fast auf den jungen Mann auf, als dieser plötzlich auf dem schmalen Pfad stoppt. Mit warnend erhobenem Zeigefinger steht Malik reglos im Schlamm. Schwer atmend streicht sich Diego die Regentropfen von der Stirn und horcht angestrengt nach vorne. Hinter ihnen sind auch Benito und Juarez zum Stehen gekommen und schauen erwartungsvoll auf den vor ihnen wartenden Malik.
Nach einem kurzen Moment lässt er die Hand sinken, schüttelt den Kopf und stapft weiter durch den Busch. Diego und die anderen folgen ihm, als Diegos Blick auf eine handtellergroße braunschwarz gefärbte Spinne fällt, die reglos auf seinem Arm sitzt. Erschrocken macht er einen Satz nach vorn und wirft das Insekt wild schüttelnd ab.
Er atmet seufzend aus.
Zu lange her, dass ich im Dschungel unterwegs war
, denkt er missmutig. Der Gedanke verfliegt jedoch abrupt, als vor ihnen auf einer gerodeten Fläche ein länglicher, über und über mit Palmwedeln bedeckter Holzunterstand auftaucht. Dazu vernimmt Diego einen neuen, sich mit den Geräuschen des permanent auf die Blätter tropfenden Regens vermischenden Ton: Ganz in der Nähe knattert dumpf ein Generator vor sich hin.
Ohne den Neuankömmlingen jegliche Beachtung zu schenken, huschen ein paar Männer geschäftig durch das improvisierte Labor. Drei Wächter in grünen Tarnanzügen lehnen an einem Pfosten, die Hände zu einem lässigen Gruß erhoben. An ihren Schultern baumeln AKs und Uzis an ledernen Trageriemen.
Diego schaut sich neugierig um. Auf dem platt getretenen Lehmboden stehen nebeneinander ein paar rostige Eisenfässer und Plastikeimer, sorgsam abgedeckt mit Stofftüchern: die Chemikalien und ihr Produkt − Kokapaste.
Daneben sieht Diego auf einem Tisch eine Reihe weiterer Eimer, Filter und Brenner. Zwei Männer in braun gefärbten Schutzanzügen hantieren routiniert an den Geräten. Ihre Gesichter sind durch große Atemschutzmasken verdeckt.
„Hier lang.“ Benito hat ihm eine Hand auf die Schulter gelegt und führt ihn in den hinteren Teil des zigarrenförmigen Baus. Hier sind die Seiten nicht mehr offen, sondern mit Planen verhängt. Auf einem langen Tisch liegen Pakete, sorgsam umhüllt mit Plastikfolie und Isolierband. Diego tritt heran und hebt eines der Päckchen prüfend in die Höhe. Anderthalb bis zwei Kilo, schätzt er.
„
El perico
, mein Freund.“
Diego dreht sich zu Benito um und nickt langsam. „Wie viel schafft ihr hier?“
Benito zögert einen Augenblick, fasst sich nachdenklich ans Kinn.
„Realistisch“, setzt Diego nach.
„Ich denke, hundert bis hundertzwanzig die Woche.“
Etwa ein Drittel der Menge, die sie den Gringos zugesagt haben.
„Nur hier. Wir haben noch ein paar vergleichbare Plätze“, fährt Benito, Diegos Skepsis erahnend, werbend fort.
„Wie weit weg?“
„Alles im Umkreis von fünfzig Kilometern.“
Diego schaut auf die Uhr. Es ist vier. In zweieinhalb Stunden wird es stockdunkel sein. Er wendet sich zum Gehen. „Die sehen wir uns morgen an.“
Die Sonne ist längst westlich von ihnen im Pazifik verschwunden, als Diego an Deck der
Esmeralda
eine Flasche Colón Negra öffnet. Er nimmt einen großen Schluck und schaut auf die flackernden Lichter Tumacos, die zu ihrem Ankerplatz in der kleinen geschützten Bucht herüberblinken. Nach ihrer Rückkehr hielten sie sich nicht lange in der bedrückend überfüllten, auf einer kleinen Insel eingeengten Stadt auf. Sie deckten sich lediglich mit Proviant und einem kleinen Extra für den Abend ein, stiegen dann auf eines der Fischerboote und fuhren raus aufs Meer.
Keine Penner, kein Gestank, dafür eine kühle Brise, erklärte Benito, als sie die Taue losmachten. Trotzdem stehen vier Männer an Deck, ihre
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