Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)
eigentlich sein Geld aus, wenn man durch Laufschuhe weder schneller noch vor Verletzungen bewahrt wird? Was ist der Nutzwert all dieser Mikrochips, »Verbesserungen der Vortriebsenergie«, Luftpolster, Torsionssysteme und Abrollmechanismen? Nun, machen Sie sich auf einige schlechte Nachrichten gefasst, wenn sie ein Paar Kinseis im Schuhschrank haben. Wie alle schlechten Nachrichten kommen sie zu dritt:
ERSTE SCHMERZLICHE WAHRHEIT: Die besten Schuhe sind die schlechtesten.
Nach einer Studie, die von Dr. Bernard Marti geleitet wurde, einem Spezialisten für Präventivmedizin an der Universität Bern, haben Läufer, die Spitzenschuhe tragen, ein um 123 Prozent höheres Verletzungsrisiko als Läufer mit billigen Schuhen. Dr. Martis Forschungsteam untersuchte die Angaben von 4358 Läufern beim Bern Grand-Prix, einem Straßenrennen über zehn Meilen. Alle Läufer füllten einen ausführlichen Fragebogen aus, mit dem detaillierte Angaben zu ihren Trainingsgewohnheiten und zum im vergangenen Jahr getragenen Schuhwerk erhoben wurden. Wie sich herausstellte, waren 45 Prozent der Befragten in diesem Zeitraum verletzt gewesen.
Am meisten jedoch überraschte Dr. Marti – wie er 1989 im American Journal of Sports Medicine beschrieb – die Tatsache, dass die häufigste Variable bei den medizinischen Problemen nicht der Untergrund war, auf dem gelaufen wurde, auch nicht das Tempo, das wöchentliche Pensum oder die »wettkampforientierte Trainingsmotivation«. Es war auch nicht das Körpergewicht oder eine persönliche Vorgeschichte mit Verletzungen: Es war der Preis des Schuhs. Läufer mit Schuhen, die teurer als 95 Dollar waren, waren mit einem mehr als doppelt so großen Verletzungsrisiko unterwegs wie Läufer mit Schuhen, die weniger als 40 Dollar kosteten. Nachfolgestudien kamen zu ähnlichen Ergebnissen, zum Beispiel der 1991 in Medicine & Science in Sports & Exercise erschienene Bericht, dem zu entnehmen war, dass »Träger teurer Laufschuhe, für die mit besonderen, dem Schutz vor Verletzungen dienenden Merkmalen geworben wird (z. B. bessere Dämpfung, ›Korrektur von Überpronation‹), auffallend häufiger verletzt sind als Läufer mit billigen Schuhen (die weniger als 40 Dollar kosten).«
Was für ein grausamer Witz: Für den doppelten Preis bekommt man auch den doppelten Schmerz.
Der stets scharf beobachtende Coach Vin Lananna hatte dasselbe Phänomen selbst und schon Anfang der Achtzigerjahre beobachtet, er berichtet: »Einmal bestellte ich Spitzenschuhe für das gesamte Team, und innerhalb von zwei Wochen hatten wir mehr Probleme mit Plantarsehnenentzündungen und Achillessehnenreizungen als je zuvor. Also schickte ich diese Schuhe wieder zurück und sagte dem Hersteller: ›Schickt mir wieder meine billigen Schuhe.‹ Seitdem bestellte ich immer die billigsten Schuhe. Das tue ich nicht aus Geiz. Ich tue das, weil es meine Aufgabe ist, Athleten schnell zu machen und sie dabei auch gesund zu halten.«
SCHMERZLICHE WAHRHEIT NR. 2: Füße mögen Belastungen.
Dr. Barry Bates, der Leiter des Medizinischen Labors für Biomechanik und Sport an der Universität von Oregon, sammelte bereits 1988 Daten, die den Schluss nahelegten, dass abgetragene Laufschuhe gesünder waren als neue Exemplare. Dr. Bates und seine Kollegen berichteten im Journal of Orthopaedic & Sports Physical Therapy, dass Läufer in Schuhen, die sich abnutzten und deren Dämpfungswirkung nachließ, eine bessere Kontrolle über ihre Fußbewegungen erlangten.
Wie sorgen eine verbesserte Fußkontrolle und eine durchgelaufene alte Sohle dann für verletzungsfreie Beine? Das liegt an einer magischen Zutat: Furcht. Die ganze Polsterung mildert die Aufprallkräfte beim Bodenkontakt nicht, auch wenn Namen wie Adidas MegaBounce, die nach bequemen Kissen klingen, uns das weismachen wollen. Nach logischen Gesichtspunkten sollte das offensichtlich sein – die auf die Beine wirkenden Aufprallkräfte, die beim Laufen entstehen, können bis zum Zwölffachen des eigenen Körpergewichts betragen, deshalb ist es absurd zu glauben, dass zwölf Millimeter Gummi gegen eine (wie in meinem Fall) zur Erde strebende Kraft von 1250 Kilogramm irgendetwas ausrichten können. Man kann ein Ei mit einem Topflappen abdecken, bevor man mit einem Hammer draufschlägt, aber das Ei wird nicht unversehrt bleiben.
E. C. Frederick, der damalige Leiter der Forschungsabteilung von Nike Sports, nahm 1986 an der Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft für Biomechanik teil, und er
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