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Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Titel: Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher McDougall
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aber Barfuß-Ted bestand darauf, sich sofort den Busreiseschmutz abzuduschen. Er verließ die Dusche schreiend.
    »Mein Gott! In der Dusche gibt’s lose Stromkabel. Ich bin fast gebrutzelt worden!«
    Eric sah mich an. »Glaubst du, das war Caballo?«
    »Gerechtfertigter Totschlag«, antwortete ich. »Kein Geschworenengericht würde ihn verurteilen.« An der Barfuß-Ted-Caballo-Blanco-Ungewitterfront hatte es seit der Abfahrt aus Creel keinerlei Besserung gegeben. Als der Busfahrer einmal eine Pause einlegte, kletterte Caballo vom Dach und quetschte sich im Bus bis ganz nach hinten durch, um Ted zu entkommen. »Dieser Kerl weiß nicht, was Stille ist«, schäumte Caballo. »Er kommt aus L. A., Mann. Er glaubt, man müsse jeden Ort mit Lärm beschallen.«
    Nachdem wir uns bei Mario eingerichtet hatten, brachte uns Caballo zu einer weiteren seiner diversen Mamás. Wir mussten nicht einmal bestellen; sofort nach unserer Ankunft tischte Doña Mila alles auf, was ihr Kühlschrank hergab. Wenig später gingen Teller mit Guacamole, Frijoles, Kaktusstreifen, in scharfem Essig eingelegten Tomaten, spanischem Reis und herrlich duftendem Rindfleischeintopf, der mit Hühnchenleber verdickt war, reihum.
    »Langt zu«, sagte Caballo. »Morgen werdet ihr’s brauchen.« Er sagte, er wolle uns auf eine Aufwärmwanderung mitnehmen – nur eine kleine Spritztour auf einen benachbarten Berg, um uns einen ersten Eindruck von dem Gelände zu vermitteln, das wir auf der Tour bis zum Ort des Rennens durchwandern würden. Er sagte mehrmals, das sei nichts Besonderes, aber dann riet er uns dennoch, das Essen zu verputzen und sofort ins Bett zu gehen. Ich wurde noch besorgter, als ein weißhaariger Amerikaner des Weges kam und sich zu uns setzte.
    »Wie sieht’s aus, Hoss?«, begrüßte er Caballo. Sein Name war Bob Francis. Er war bereits in den 1960er Jahren das erste Mal in Batopilas gewesen und nie wieder ganz von diesem Ort losgekommen. Bob hatte Kinder und Enkel in San Diego, verbrachte aber immer noch den größten Teil des Jahres mit Canyonwanderungen in der Umgebung von Batopilas. Manchmal führte er andere Bergwanderer und manchmal besuchte er nur Patricio Luna, einen Tarahumara, mit dem er befreundet und der Manuel Lunas Onkel war. Sie hatten sich vor 30 Jahren kennengelernt, als Bob sich in den Canyons verirrt hatte. Patricio fand ihn, gab ihm etwas zu essen und ließ ihn in der Wohnhöhle seiner Familie übernachten.
    Aufgrund seiner jahrzehntelangen Freundschaft mit Patricio ist Bob einer der wenigen Amerikaner, die jemals ein tesgüinada der Tarahumara erlebt haben – die Marathonzecherei, die den Ballspielrennen vorausgeht und diese gelegentlich auch verhindert. Die Tarahumara vertrauten selbst Caballo noch nicht so sehr, dass sie ihn zu einem Fest dieser Art einluden, und nachdem er Bobs Geschichten gehört hatte, war er sich nicht sicher, ob er das überhaupt wollte.
    »Tarahumara, mit denen ich schon seit Jahren befreundet war, Menschen, die ich als schüchterne, sanfte Amigos kannte, suchen plötzlich Streit, rammen mich mit ihrer Brust, beschimpfen mich, legen es auf eine Prügelei an«, erzählte Bob. »Währenddessen gehen ihre Frauen mit anderen Männern in die Büsche, und ihre erwachsenen Töchter liefern sich in nacktem Zustand Ringkämpfe. Die Kinder halten sie von diesen Vorgängen fern; man kann sich vorstellen, warum.«
    Bei einer Tesgüinada ist alles möglich, erklärte Bob, denn alles, was dabei geschieht, schreibt man dem Peyotl zu, dem selbstgebrannten Tequila und dem starken Maisbier Tesgüino. Diese Feste dienen, so wild sie auch verlaufen können, eigentlich einem vornehmen und nüchternen Zweck: Sie fungieren als eine Art Überdruckventil, mit dem man explosiven Gefühlen Luft machen kann. Wie wir alle kennen auch die Tarahumara geheime Wünsche und versteckten Groll, aber in einer Gesellschaft, in der sich jeder auf den anderen verlässt und keine Polizei als Vermittler bei Konflikten auftritt, muss es eine Möglichkeiten geben, sinnliche Begierden zu befriedigen und Groll abzubauen. Was könnte sich dafür besser eignen als ein großes Gelage? Alle Anwesenden betrinken sich, drehen mächtig auf, und danach schütteln sie sich, zerschrammt und verkatert und auf diese Weise auch geläutert, den Staub ab und kehren ins Alltagsleben zurück.
    »Noch bevor die Nacht um war, hätte ich zwanzigmal verheiratet oder ermordet werden können«, berichtete Bob, »aber ich war klug genug, um die Kürbisflasche

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