Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)
Geranienart an«, schlug er vor, »oder kaufen Sie den Extrakt online.« Das Zaubermittel der Tarahumara heißt Geranium niveum . Nach dem Journal of Agricultural and Food Chemistry ist diese Pflanze bei der Neutralisierung krankmachender freier Radikale so wirksam wie Rotwein. Ein Autor formulierte das so: Die Wilde Geranie wirkt »anti-alles – antiviral, antibakteriell, antioxidantisch und entzündungshemmend«.
Ich legte Pinole- und Chia-Vorräte an und bestellte sogar etwas Saatgut für Tarahumara-Mais, den ich hinter dem Haus anbauen wollte: Cocopah- und Mayo-Chapalote und Pinole-Mais. Ich wusste natürlich, dass es realistischerweise nur eine Frage der Zeit war, bis ich von Samen und getrocknetem Mais die Nase voll hatte und wieder zu Hamburgern griff. Glücklicherweise sprach ich zuerst mit Dr. Ruth Heidrich.
»Haben Sie jemals Salat gefrühstückt?«, fragte sie mich. Dr. Ruth hatte sechs Ironman-Triathlons hinter sich und gehörte nach Ansicht der Zeitschrift Living Fit zu den zehn fittesten Frauen in Amerika. Sie erzählte mir, dass bei ihr vor 24 Jahren Brustkrebs diagnostiziert worden sei. Erst danach war sie zur Athletin geworden und hatte in Gesundheitserziehung promoviert. Untersuchungen haben gezeigt, dass das Risiko einer erneuten Brustkrebserkrankung durch körperliches Training um bis zu 50 Prozent reduziert wird, deshalb begann Dr. Ruth umgehend mit dem Training für ihren ersten Triathlon, obwohl die Fäden der Brustamputation noch nicht gezogen waren. Sie studierte auch die Ernährungsweisen von Kulturen, in denen Krebs eine Seltenheit ist, und kam zu der Überzeugung, dass sie sofort von der amerikanischen Standardernährung – der SAD ( standard american diet ), wie sie es nennt – wegkommen und eher wie die Tarahumara essen musste.
»Das war ein Gefühl, als bedrohte man mich mit einer medizinischen Waffe«, erzählte mir Dr. Ruth. »Ich hatte solche Angst, dass ich auch mit dem Teufel paktiert hätte. Der Verzicht auf Fleisch war da vergleichsweise wirklich nichts Besonderes.« Sie folgte einer simplen Regel: Wenn ein Lebensmittel pflanzlicher Herkunft war, aß sie es; stammte es von einem Tier, aß sie es nicht. Dr. Ruth hatte, wenn sie einen Fehler machte, sehr viel mehr zu verlieren als ich, aber sie spürte fast augenblicklich, wie ihre Kräfte wuchsen.
Ihre Ausdauer verbesserte sich so dramatisch, dass sie innerhalb eines Jahres von Zehn-Kilometer- zu Marathonläufen und schließlich zum Ironman fortschritt. »Selbst mein Cholesterinwert fiel innerhalb von 21 Tagen von 230 auf 160«, ergänzte sie. Der Ernährungsplan nach Tarahumara-Vorbild setzte beim Mittag- und Abendessen auf Obst, Bohnen, Yamswurzeln, Vollkornprodukte und Gemüse, und zum Frühstück gab es häufig Salat.
»Essen Sie morgens erst einmal Blattgemüse, und Sie werden kräftig abnehmen«, empfahl sie mir. Eine große Portion Salat enthält eine Menge nährstoffhaltige Kohlenhydrate und nur wenig Fett, deshalb konnte ich ordentlich futtern, ohne Hunger – oder Übelkeit – zu empfinden, wenn die Zeit für eine Trainingseinheit gekommen war. Außerdem enthält grünes Gemüse eine Menge Wasser und eignet sich deshalb hervorragend zum Auffüllen der Wasservorräte nach dem Nachtschlaf. Und welche bessere Methode gab es denn, als die fünf täglichen Gemüseportionen gleich alle auf einmal zu sich zu nehmen?
Also legte ich am nächsten Morgen sofort los. Ich ging mit einer Schüssel in der Küche herum und warf den zur Hälfte verspeisten Apfel meiner Tochter hinein, einige Kidneybohnen von zweifelhafter Herkunft, ein Paar rohe Spinatblätter und eine ganze Menge Brokkoli, zerhackte das Ganze in kleine Stücke und hoffte, dass es so eher wie Krautsalat schmecken würde. Dr. Ruth süßt ihre Salate mit schwarzer Melasse, aber ich veredelte meinen mit Gourmet-Mohnsamendressing, weil ich der Ansicht war, dass ich die Extraportion Fett und Zucker verdient hatte.
Schon nach zwei Bissen war ich bekehrt. Ein Frühstückssalat, so stellte ich zu meiner Freude fest, war auch ein Trägermaterial für eine süße Garnierung, so wie Pfannkuchen für Sirup. Es ist sehr viel erfrischender als gefrorene Waffeln, und das Allerbeste war, dass ich mich vollstopfen konnte, bis die Augen grün anliefen, und dennoch imstande war, eine Stunde später zu einem Lauf aus dem Haus zu stürmen.
»Die Tarahumara sind keine großartigen Läufer«, informierte mich Eric, als wir in den zweiten Monat meines Trainingsprogramms eintraten.
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