Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)
Mann, Frau und Ross, bis sich Paul Bonnet anno 2006 den Titel zurückholte. Es sollte acht Jahre dauern, bis es schließlich ein Pferd mit den beiden aufnehmen konnte und wieder für einen Vierbeinersieg sorgte.
Entdeckungen wie diese waren für die beiden Wissenschaftler aus Utah jedoch nur nette kleine Zugaben auf dem Weg zum großen Durchbruch. Die Evolution schien sich ganz und gar um die Atmung zu drehen, wie David es an jenem Tag bei der Untersuchung eines Hasenkadavers vermutet hatte – und es dabei mit der Geschichte des Lebens zu tun bekam. Je höher die Spezies entwickelt war, desto leistungsfähiger war ihr Vergaser. Man nehme zum Beispiel Reptilien: David setzte Eidechsen auf ein Laufband und stellte fest, dass sie nicht einmal gleichzeitig laufen und atmen können. Sie schaffen bestenfalls ein kurzes Vorwärtskrabbeln, bis sie wieder anhalten müssen, um Luft zu holen.
Dr. Bramble arbeitete unterdessen weiter oben auf der Leiter der Evolution und studierte Großkatzen. Er entdeckte, dass die inneren Organe vieler Vierbeiner beim Laufen vor- und zurückschwappen wie Wasser in einer Badewanne. Jedes Mal, wenn die Pfoten eines Gepards den Boden berühren, drücken die Eingeweide nach vorne gegen die Lunge und pressen die Atemluft hinaus. Wenn er zum nächsten Satz ausholt, gleiten die Innereien nach hinten, sodass wieder Luft angesaugt wird. Die zusätzliche Stärkung der Lungenkapazität hat jedoch ihren Preis: Es erlaubt dem Gepard nur einen Atemzug pro Schritt.
Zu Dr. Brambles Überraschung stellte sich heraus, dass alle laufenden Säugetiere demselben Zyklus unterworfen sind: ein Atemzug pro Schritt. Auf der ganzen Welt fanden er und David nur eine Ausnahme:
Uns.
»Vierbeiner sind beim Laufen auf einen Zyklus von einem Atemzug pro Vorwärtsbewegung beschränkt«, sagte Dr. Bramble. »Aber bei den menschlichen Läufern, die wir testeten, war das Verhältnis niemals eins zu eins. Sie hatten die Auswahl aus einer ganzen Reihe unterschiedlicher Relationen und bevorzugten im Allgemeinen zwei zu eins.« Wir haben die Freiheit, entsprechend unserem Herzvolumen zu atmen, und das aus demselben Grund, der uns an einem heißen Sommertag unter die Dusche schickt: Wir sind die einzigen Säugetiere, die den größten Teil ihrer Körperwärme durch Schwitzen abgeben. Alle durch ein Fell geschützten Geschöpfe dieser Welt kühlen sich in erster Linie durch die Atmung ab, was ihre gesamte Hitzeregulierung mit der Lunge verbindet. Aber die Menschen verfügen mit ihren Millionen von Schweißdrüsen über den besten luftgekühlten Motor, den die Evolution je auf den Markt gebracht hat.
»Das ist der Vorteil, wenn man ein nacktes, schwitzendes Tier ist«, erklärt David Carrier. »So lange wir noch schwitzen, bleiben wir bewegungsfähig.« Ein Team von Harvard-Wissenschaftlern hatte einst genau dieses Argument verifiziert, indem es ein Rektalthermometer in einem Gepard befestigte und diesen dann auf einem Laufband rennen ließ. Sobald die Körpertemperatur des Gepards 40,6 Grad Celsius erreichte, blieb er stehen und weigerte sich weiterzulaufen. Bei allen laufenden Säugetieren ist das die natürliche Reaktion. Wenn sie in ihrem Körper mehr Hitze entwickeln, als sie durch den Mund abgeben können, müssen sie stehenbleiben, oder sie sterben.
Fantastisch! Federnde Beine, magere Torsi, Schweißdrüsen, unbehaarte Haut, aufrechte Körper, die weniger Sonnenwärme aufnehmen – es ist kein Wunder, dass wir die besten Langstreckenläufer der Welt sind. Aber was bedeutet das schon? Die natürliche Selektion dreht sich um zwei Dinge – fressen und nicht gefressen werden -, und die Fähigkeit, 30 Kilometer am Stück laufen zu können, ist überhaupt nichts wert, wenn das Wild innerhalb von 20 Sekunden verschwunden ist und dich ein Tiger innerhalb von 10 Sekunden erwischen kann. Wozu ist Ausdauer auf einem Schlachtfeld gut, auf dem es vor allem auf Schnelligkeit ankommt?
Über diese Frage dachte Dr. Bramble Anfang der 1990er Jahre nach, als er ein Forschungsjahr einlegte und bei einem Besuch in Harvard Dr. Dan Lieberman begegnete. Lieberman arbeitete zu diesem Zeitpunkt am anderen Ende der Tier-Olympiade. Er hatte ein Schwein auf ein Laufband gestellt und versuchte herauszufinden, warum es ein so lausiger Läufer war.
»Sehen Sie sich den Kopf an«, lautete Brambles Hinweis. »Er wackelt völlig unkontrolliert. Schweine haben kein Nackenband.«
Lieberman war ganz Ohr. Als Evolutionsanthropologe wusste er, dass sich
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