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Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Titel: Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher McDougall
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Strecke.«
    Bevor ich den Anstieg nach Los Alisos anging, hielt ich noch mal kurz an, um mich zu sammeln. Ich tauchte den Kopf in den Fluss und hielt ihn kurz unter Wasser, in der Hoffnung, das kühle Nass würde mir guttun und der Luftmangel würde mich in die Wirklichkeit zurückholen. Ich hatte kurz zuvor die Hälfte der Strecke geschafft und dafür nur etwa vier Stunden gebraucht. Vier Stunden für einen äußerst anspruchsvollen Querfeldeinmarathon bei Wüstenhitze! Ich war dem Zeitplan so weit voraus, dass ich wieder in Wettkampflaune verfiel:
    Wie schwer wird es wohl sein, Barfuß-Ted einzuholen? Auf dieser steinigen Strecke muss er doch Probleme bekommen. Und Porfilio sah so aus, als ob er zu kämpfen hätte …
    Zum Glück funktionierte das Kopf-Untertauchen. Ich begriff: Heute lief ich wie die Kalahari-Buschleute, das war der Grund, warum ich mich so viel stärker fühlte als bei der langen Bergtour von Batopilas hier herüber. Ich versuchte nicht, die Antilope zu überholen. Ich hielt nur Sichtkontakt. Bei der Batopilas-Tour hatte mich zermürbt, dass ich das Tempo von Caballo & Co. mitgehen wollte. Heute hatte ich mich bis zu diesem Zeitpunkt nur mit der Strecke auseinandergesetzt, nicht mit den anderen Läufern.
    Es war Zeit für eine weitere Buschmann-Taktik und eine Systemüberprüfung in eigener Sache, bevor ich zu ehrgeizig wurde. Dabei merkte ich dann, dass ich beileibe nicht mehr so gut beieinander war, wie ich gedacht hatte. Ich war durstig, hungrig, und die Wasserflasche war nur noch halb voll. Seit über einer Stunde hatte ich nicht mehr gepinkelt, was bei all dem Wasser, das ich getrunken hatte, kein gutes Zeichen war. Wenn ich nicht bald meinen Wasservorrat auffüllte und ein paar Kalorien zu mir nahm, würde ich auf der Achterbahn durch die Berge, die noch vor mir lag, in ernste Schwierigkeiten geraten. An der knapp 50 Meter breiten Furt, an der ich den Fluss durchquerte, füllte ich den leeren Behälter meines Trinkrucksacks mit Flusswasser und gab ein paar Jodtabletten dazu. Ich würde eine halbe Stunde warten, bis dieses Mittel wirkte, und spülte einstweilen mit meinem letzten sauberen Wasser einen ProBar hinunter – eine zähe Rohkostmischung aus Haferflocken, Rosinen, Datteln und Reissirup.
    Das war umsichtig. »Mach dich auf was gefasst«, rief mir Eric zu, als wir uns auf der anderen Seite des Flusses begegneten. »Die Strecke da oben ist sehr viel härter als das, was du bisher kennst.« Die Berge seien so schwierig, räumte Eric ein, dass er selbst beinahe aufgegeben hätte. Schlechte Nachrichten dieser Art konnten wie ein Schlag in die Magengrube wirken, aber Eric ist der Ansicht, falsche Hoffnungen zu wecken sei das Schlimmste, was man einem Läufer auf halber Strecke antun könne. Es ist das Unerwartete, das für Anspannung sorgt. Aber solange man weiß, auf was man sich eingelassen hat, kann man locker bleiben und seinen Aufgaben nachgehen.
    Eric hatte nicht übertrieben. Über eine Stunde lang ging es in den Vorbergen auf und ab, und ich war überzeugt, dass ich mich verirrt hatte und auf dem besten Weg war, mich in der Wildnis zu verlaufen. Es gab nur einen Pfad, auf dem ich auch lief, aber wo zum Teufel war der kleine Grapefruitgarten, den es in Los Alisos geben sollte? Er sollte nur gut sechs Kilometer vom Fluss entfernt sein, aber ich fühlte mich, als wäre ich 16 Kilometer weit gelaufen, und sah immer noch nichts. Schließlich brannten meine Oberschenkel, und ich hatte so schlimme Krämpfe, dass ich mit dem Zusammenbruch rechnete, als ich auf einem vor mir liegenden Berg eine Gruppe von Grapefruitbäumen entdeckte. Ich schaffte es bis dorthin und ließ mich neben einer Gruppe von Urique-Tarahumara auf der Erde nieder. Sie hatten gehört, dass sie disqualifiziert worden waren, und dann beschlossen, sich hier im Schatten abzukühlen, bevor sie ins Dorf zurückmarschierten.
    »No hay problema«, sagte einer von ihnen. Das ist kein Problem. »Ich war zum Weiterlaufen sowieso zu müde.« Er reichte mir eine alte Zinntasse. Ich bediente mich aus dem gemeinschaftlichen Pinole-Topf und pfiff auf die Giardiasis-Gefahr. Dieses Essen war kühl und köstlich körnig, wie ein Popcorn-Slushee. Ich verschlang eine ganze Tasse voll, und nach einem Blick auf den Weg, den ich gerade eben zurückgelegt hatte, folgte eine zweite. Weit unten im Tal sah man das blasse Band des Flusses, das wie verwaschene Pflasterkreide wirkte. Ich konnte nicht glauben, dass ich von dort bis hierher gelaufen

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