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Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Titel: Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher McDougall
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von Leadville ist«, sagte Ken. »Wir haben hier ein Motto – du bist zäher, als du denkst, und du kannst mehr leisten, als du glaubst. Ein Typ wie Aron zeigt uns allen, was wir können, wenn wir alles geben.«
    Man möchte glauben, dass der arme Aron schon genug gelitten hatte, aber wenig mehr als ein Jahr nach seinem Unfall nahm er Ken beim Wort. Aron schaffte es mit neuer Prothese innerhalb des 30-Stunden-Zeitlimits ins Ziel und fuhr mit einer silbernen Gürtelschnalle nach Hause. So zeigte er besser, als Ken das jemals könnte, was man braucht, um in Leadville dazuzugehören:
    Du musst nicht schnell sein. Aber du solltest furchtlos sein.

10

    Perfekt! Leadville bot genau die Art von Voll-auf-die-Mütze-Event, die Rick Fisher vorschwebte. Wie immer wollte er möglichst viel Aufmerksamkeit erregen, und ein Rummelplatz wie Leadville kam ihm dabei gerade recht. Irgendjemand will ihm weismachen, dass ESPN die Gelegenheit nicht sofort nutzen würde, über gutaussehende Burschen in Lendentüchern zu berichten, die auf einer ebenso sagenumwobenen wie mörderischen Rennstrecke die Rekorde purzeln lassen? Aber hallo!
    Also fuhr Fisher im August 1992 mit seinem großen alten Chevy Suburban in Patrocinios Dorf vor. Bei der mexikanischen Tourismusbehörde hatte er Reiseunterlagen besorgt, außerdem hatte er den versprochenen Lohn in Naturalien (Mais) für die Läufer beschafft. In der Zwischenzeit hatte Patrocinio fünf seiner Dorfgenossen beschwatzt, diesem seltsamen, leidenschaftlichen Chabochi zu vertrauen, dessen Namen sie nicht über die Lippen brachten. Das Spanische kennt keinen »sch«-Laut, deshalb erhielt Fisher eine Kostprobe des pfiffigen Tarahumara-Humors, als er hörte, dass ihn sein neues Team »Pescador« nannte – den Fischer. Sicher war das für sie leichter auszusprechen; aber es brachte auch sein Kapitän-Ahab-Syndrom auf den Punkt, den ständigen Hunger nach dem großen Fang, den man spürte, wenn man ihn erlebte. Fisher verströmte ihn wie Hitzewellen, die von einer Motorhaube ausgingen.
    Wie auch immer: Aus Fishers Sicht konnten sie ihn auch Dr. Dummbeutel nennen, wenn sie sich bloß nach dem Startschuss voll ins Zeug legten. Der Pescador stopfte sein Team in den Chevy und nahm Kurs auf Colorado.
    Am Tag des Rennens versuchten die Zuschauer in Leadville kurz vor vier Uhr morgens nicht auf die fünf Männer mit den Lendentüchern zu starren. Das Quintett mühte sich mit den ungewohnten Schnürsenkeln der schwarzen Chucks ab, die ihnen der Pescador besorgt hatte. Die Tarahumara rauchten gemeinsam noch eine selbstgedrehte Zigarette aus schwarzem Tabak und stellten sich dann im Teilnehmerfeld schüchtern ganz hinten an, während die anderen 290 Ultralangstreckler riefen: Drei … zwei …
    Bumm! Der Bürgermeister von Leadville feuerte seine große alte Donnerbüchse ab, und die Tarahumara rannten los und wollten zeigen, was sie zu bieten hatten.
    Eine Zeit lang ging das gut, doch bevor auch nur die Hälfte der Strecke absolviert war, waren alle Tarahumara-Läufer ausgestiegen. Verdammt, beklagte sich Fisher bei jedem, der ihm zuhörte. Ich hätte sie nicht in diese Schuhe stecken sollen, und niemand sagte ihnen, dass sie an den Versorgungsstationen essen durften. Meine Schuld. Sie hatten noch nie zuvor Taschenlampen gesehen, also richteten sie sie senkrecht nach oben, wie Fackeln …
    Ja, ja, der Scheck ist schon unterwegs. Die übliche Tarahumara-Enttäuschung, die üblichen Tarahumara-Ausreden. Nur die fanatischsten Leichtathletikhistoriker wissen, dass Mexiko bei den olympischen Marathonläufen in Amsterdam (1928) und Mexiko City (1968) jeweils auf zwei Tarahumara-Läufer setzte. Doch die Tarahumara schafften es beide Male nicht in die Medaillenränge. Als Ausrede hörte man jeweils, 42,195 Kilometer seien zu wenig. Der mickrige kleine Marathon war vorbei, noch bevor die Tarahumara die Chance hatten, den großen Gang einzulegen.
    Vielleicht. Wenn diese Burschen allerdings tatsächlich solch übermenschliche Tempoläufer waren, wie konnte es dann sein, dass sie nie ein Rennen gewannen? Wenn jemand ein großartiger Distanzwerfer im eigenen Hinterhof ist, interessiert das niemanden. Was zählt, sind die Dreipunktewürfe beim Ligaspiel. Und in den letzten 100 Jahren hatten die Tarahumara noch jeden Wettkampf außerhalb ihres eigenen Lebensbereichs vermasselt.
    Fisher grübelte auf der langen Rückfahrt nach Mexiko über das aktuelle Geschehen nach, und dann ging ihm ein Licht auf. Natürlich! Man konnte

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