Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Titel: Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher McDougall
Vom Netzwerk:
gehabt!«, gab Ken zurück. »Vielleicht erinnert man sich wieder an uns, wenn hier ein paar Leute sterben.«
    Das Climax-Molybdän-Bergwerk war kurz vor Kens Showdown mit Dr. Woodward an jenem kalten Herbsttag im Jahr 1982 plötzlich geschlossen worden, und dieser Vorgang hatte fast das gesamte Städtchen arbeitslos gemacht. Molybdän ist ein (in mineralischer Form vorkommendes) Schwermetall, das zur Härtung von Schiffs- und Panzerstahl verwendet wird, und als der Kalte Krieg zu Ende ging, brach auch der »Moly«-Markt zusammen. Nahezu über Nacht war Leadville kein umtriebiges kleines Städtchen mit einer altmodisch eingerichteten Eisdiele an einer altmodischen Hauptstraße mehr, sondern verwandelte sich in das hoffnungsloseste, wie kein anderer Ort von Arbeitslosigkeit geprägte Stück Nordamerikas. Acht von zehn Beschäftigten in Leadville betätigten die Stechuhr bei Climax, und die wenigen, auf die diese Feststellung nicht zutraf, waren von denjenigen abhängig, für die sie galt. Der Ort, an dem einst das höchste Pro-Kopf-Einkommen in Colorado erzielt wurde, war schon nach kurzer Zeit die Bezirkshauptstadt eines der ärmsten Countys im ganzen Bundesstaat.
    Es konnte nicht mehr schlimmer werden. Und dann kam es doch noch schlimmer.
    Kens Nachbarn waren harte Alkoholiker, die ihre Frauen schlugen, in Depressionen verfielen oder aus der Stadt flüchteten. Eine Art Massenpsychose überkam die Stadt, ein frühes Stadium beim Absterben eines Gemeinwesens: Zunächst verlieren die Menschen die finanziellen Mittel, die sie zum Überleben brauchen; später dann, nach den Messerkämpfen, Verhaftungen und Ankündigungen von Zwangsvollstreckungen, verlieren sie den Durchhaltewillen.
    »Die Menschen packten ihre Sachen und verließen zu Hunderten die Stadt«, erinnert sich Dr. John Perna, der in Leadville einst die Notaufnahme leitete. In seiner Abteilung ging es damals so hektisch zu wie in einem mobilen Feldlazarett, und jetzt bekam sie es bei frischen Verletzungen mit einem hässlichen neuen Trend zu tun: Statt wie früher verstauchte Knöchel und zerquetschte Finger zu behandeln, amputierte Dr. Perna jetzt die erfrorenen Zehen betrunkener Bergleute, die ohnmächtig im Schnee gelegen hatten, und rief die Polizei zum Schutz von Frauen, die zu sehr später Stunde mit gebrochenen Wangenknochen und völlig verängstigten Kindern erschienen.
    »Wir gerieten in eine tödliche Flaute«, berichtete mir Dr. Perna. »Wir rechneten damit, dass die Stadt ganz aufgegeben werden müsste.« Es waren schon so viele Bergleute weggezogen, dass die verbliebenen nicht mehr ausreichten, um bei einem unterklassigen Baseballspiel die Tribünen zu füllen.
    Leadvilles einzige Hoffnung bestand im Tourismus, und der wiederum bot gar keinen Grund zur Hoffnung. Welcher Idiot würde wohl an einem Ort Ferien machen, an dem es neun Monate lang eiskalt war, wo keine attraktiven Hänge die Skifahrer anlockten und schon das bloße Atmen als Herz-Kreislauf-Training durchging. Die Landschaft ringsum war so brutal, dass die 10. Gebirgsjägerdivision, eine Eliteeinheit der US-Armee, das Gebiet für Manöver zum Kampf in alpiner Umgebung nutzte.
    Was das Ganze noch schlimmer machte: Leadvilles Ruf wirkte ebenso einschüchternd wie seine Geografie. Jahrzehntelang war dies die gefährlichste Stadt im Wilden Westen, »eine absolute Todesfalle«, wie ein Chronist einmal schrieb, »die ihren Stolz aus der eigenen Verderbtheit abzuleiten schien«. Doc Holliday, der Zahnarzt, der zum Revolverhelden geworden war, trieb sich mit Wyatt Earp, seinem ebenfalls sehr flink ziehenden Kumpel vom O. K. Corral, in den Saloons von Leadville herum. Auch Jesse James tauchte zuweilen hier auf, angelockt von den goldbeladenen Postkutschen und den hervorragenden Verstecken, die es gleich nebenan in den Bergen gab. Noch in den 1940er Jahren war es den Kommandotrupps der 10. Gebirgsjägerdivision verboten, den Ortskern von Leadville auch nur zu betreten. Den Nationalsozialisten mochten sie gewachsen sein, aber nicht den Messerhelden unter den Glücksspielern und den Prostituierten, die die State Street beherrschten.
    Ja, Leadville war ein rauer Ort, das wusste Ken. Voll harter Männer und noch härterer Frauen, und …
    Und … verdammt! Gottverdammt! Das war die Lösung.
    Wenn Schneid das einzige war, was Leadville noch zu bieten hatte, dann setzt mal euren ganzen Schneid ein. Ken hatte von diesem Typen in Kalifornien gehört, einem langhaarigen Gebirgler namens Gordy Ainsleigh,

Weitere Kostenlose Bücher