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Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Titel: Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher McDougall
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die zornigen Gesten, die in ihre Richtung wiesen. Die Tarahumara verstanden nicht, was gesagt wurde, aber sie verstanden die Botschaft. Die größten im Verborgenen lebenden Athleten der Welt reagierten, mit dieser Feindseligkeit konfrontiert, wie sie immer reagiert hatten: Sie reisten nach Hause, zogen sich in ihre Canyons zurück, entschwanden wie ein Traum und nahmen ihre Geheimnisse mit sich. Die Tarahumara sollten nach dem Triumph von 1994 nie wieder nach Leadville zurückkehren.
    Ein Mann folgte ihnen. Auch er wurde in Leadville nie wieder gesehen. Das war Shaggy, der seltsame neue Freund der Tarahumara. Schon bald sollte man ihn unter dem Namen Caballo Blanco kennen – der einsame Wanderer der Sierras.

17

    Und nun, was sollen wir ohne Barbaren tun?
Diese Menschen waren immerhin eine Lösung.
    Konstantinos Kavafis (1863-1933), Warten auf die Barbaren (1904)

    »Das war vor zehn Jahren«, sagte mir Caballo zum Abschluss seines Berichts. »Und seitdem lebe ich hier.«
    Mamá hatte uns schon vor Stunden aus ihrem Wohnzimmerrestaurant hinausgeworfen und war zu Bett gegangen. Caballo hatte mich, immer noch weitererzählend, durch die verlassenen Straßen von Creel zu einer Bodega in einer abgelegenen Seitengasse geführt. Auch dort blieben wir bis zum Geschäftsschluss. Bis Cavallo mich von 1994 in die Gegenwart geführt hatte, war mir ganz schwindlig zumute. Er hatte mir mehr über den Blitzauftritt der Tarahumara auf der amerikanischen Ultralangstrecken-Szene erzählt, als ich mir je erhofft hatte (und mir gleichzeitig Hinweise gegeben, wie ich den Rest erfahren könnte, wenn ich Rick Fisher, Joe Vigil und die anderen Leute aufspürte, die in seinem Bericht vorkamen), aber in all seinen Geschichten hatte er niemals die einzige Frage beantwortet, die ich ihm gestellt hatte:
    Wer bist du, Mann?
    Es sah ganz danach aus, als hätte er, bevor er mit Martimano durch die Wälder rannte, in seinem früheren Leben nichts getan – oder als hätte er vieles getan, über das er nicht sprechen wollte. Jedes Mal, wenn ich nachhakte, wich er entweder mit einem Scherz oder mit einer Nicht-Antwort aus, die das Thema so fest abschloss wie ein Riegel die Tür eines Verlieses (»Wie ich mein Geld verdiene? Ich erledige für die Reichen die Dinge, die sie nicht selbst tun wollen«). Dann spann er sofort an einem neuen Erzählfaden. Die Alternativen waren klar. Ich konnte ihn nerven und gegen mich aufbringen, oder ich konnte mich zurückhalten und dafür ein paar tolle Geschichten hören.
    Ich erfuhr zum Beispiel, dass Rick Fisher nach dem Leadville-Rennen von 1994 vollends zum Irrläufer wurde. Es gab noch andere Rennen und andere Tarahumara-Läufer, und schon bald hatte Fisher eine neue Läufergruppe beisammen und taumelte von einem Chaos zum anderen wie ein Verbindungsstudent bei einer Sauftour. Der erste größere Zwischenfall war der Ausschluss von Team Tarahumara beim Angeles Crest 100-Mile Endurance Run in Kalifornien, weil Fisher mitten im Rennen immer wieder in einen ausschließlich den Läufern vorbehaltenen Streckenabschnitt hineindrängte. »Einen Läufer zu disqualifizieren ist das Letzte, was ich tun will«, sagte der Renndirektor, »aber Rick ließ uns keine Wahl.«
    Dann wurden beim Utah Wasatch Front 100 drei Tarahumara-Läufer disqualifiziert, nachdem sie den ersten, zweiten und vierten Platz belegt hatten, weil Fisher sich geweigert hatte, die Startgebühr zu bezahlen. Danach ging es beim Western States weiter, wo Fisher durch einen weiteren Wutausbruch im Zielbereich auffiel. Er beschuldigte einige Rennhelfer, sie hätten insgeheim Wegmarken manipuliert, um die Tarahumara zu täuschen, außerdem hätten sie – das hat er wirklich gesagt – ihr Blut gestohlen. (Alle Läufer beim Western States wurden um eine Blutprobe für eine wissenschaftliche Studie zum Thema Ausdauer gebeten, doch allein Fisher witterte aus irgendeinem Grund eine List und sorgte für einen Eklat. »Das Blut der Tarahumara ist etwas ganz Rares«, soll er gesagt haben. »Die Mediziner wollen es sich für genetische Tests verschaffen.«)
    Zu diesem Zeitpunkt schienen selbst die Tarahumara vom Umgang mit dem Pescador genug zu haben. Ihnen fiel auch auf, dass er für sich immer noch neuere und schönere Geländewagen herausschlug, während für sie nach diesen langen, einsamen Wochen fern der Heimat, bei denen sie Hunderte von Meilen durch die Berge rannten, nur ein paar Säcke Mais abfielen. Wieder einmal hatte ihnen der Umgang mit den

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