Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)
ganz das richtige Wort; »absolute Gewissheit« wäre eher angebracht. Jahr für Jahr erleiden 65 bis 80 Prozent aller Läuferinnen und Läufer eine Verletzung. Das Problem betrifft also fast alle Läufer, und das Jahr für Jahr. Egal, wo man lebt und wie viel man läuft, die Wahrscheinlichkeit, sich zu verletzen, bleibt gleich. Es spielt keine Rolle, ob man ein Mann oder eine Frau ist, schnell oder langsam, eher pummelig oder sehnig wie ein Rennpferd, die Füße bleiben in der Gefahrenzone.
Vielleicht reduziert sich das Risiko, wenn man sich dehnt wie ein Swami? Keineswegs. Im Rahmen einer 1993 im American Journal of Sports Medicine veröffentlichten Studie wurde eine Gruppe von Läufern in Aufwärm- und Dehnübungen unterwiesen, während eine zweite Gruppe keine »präventiven« Instruktionen gegen Verletzungen erhielt. Der Anteil der Verletzten? In beiden Gruppen gleich. Die Stretchinggruppe schnitt in einer Folgestudie, die ein Jahr später an der University of Hawaii lief, sogar noch schlechter ab; das Ergebnis lautete, dass die Läufer, die Dehnübungen machten, eine um 33 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit von Verletzungen hatten.
Glücklicherweise leben wir jedoch in einem goldenen Zeitalter der Technologie. Die Laufschuhhersteller hatten ein Vierteljahrhundert Zeit, um ihre Modelle zu perfektionieren, logischerweise müsste sich also die Verletzungsquote mittlerweile im freien Fall befinden. Adidas hat schließlich einen 250-Dollar-Schuh auf den Markt gebracht, in dem ein in der Sohle untergebrachter Mikroprozessor die Dämpfung bei jedem Schritt augenblicklich reguliert. Asics investierte drei Millionen Dollar und acht Jahre Entwicklungszeit – drei Jahre mehr, als das Manhattan-Projekt für die Entwicklung der ersten Atombombe brauchte -, um das beeindruckende Modell Kinsei zu erfinden, einen Schuh, der über »eine neue, entkoppelte Vorfußkonstruktion« verfügt, im Mittelfußbereich »maximale Vorwärtsenergie aufbaut« und mit einer »unbegrenzt anpassungsfähigen Fersenkomponente die Belastung isoliert und absorbiert, die Pronation verringert und die Vorwärtsbewegung unterstützt«. Das ist ein Haufen Geld für Sportschuhe, die man bereits nach 90 Tagen in den Müll wirft, aber man wird wenigstens nie wieder humpeln.
Stimmt’s?
Leider nicht.
»Seit den ersten ernsthaften Studien Ende der Siebzigerjahre haben die Achillessehnenbeschwerden um etwa zehn Prozent zugenommen, während Plantarsehnenentzündungen auf dem gleichen Stand blieben«, sagt Dr. Stephen Pribut, ein Spezialist für Laufverletzungen und ehemaliger Präsident der Amerikanischen Akademie für Podologische Sportmedizin (American Academy of Podiatric Sports Medicine). »Die technologischen Fortschritte in den vergangenen dreißig Jahren waren erstaunlich«, ergänzt Dr. Irene Davis, die Direktorin der Klinik für Laufverletzungen an der University of Delaware. »Bei der seitlichen Stabilisierung und bei der Dämpfung haben wir enorme Verbesserungen erlebt. Dennoch scheinen diese Abhilfen die Verletzungen nicht zu besiegen.«
Es gibt in der Tat keinen Beweis dafür, dass Laufschuhe in irgendeiner Form zur Verletzungsprävention beitragen. Dr. Craig Richards, ein Wissenschaftler von der University of Newcastle in Australien, enthüllte 2008 in einem Forschungsbericht für das British Journal of Sports Medicine, dass es keine beweiskräftigen Studien – keine einzige – gebe, die zeigten, dass Laufschuhe die Verletzungsgefahr verringerten.
Das war eine erstaunliche Enthüllung, die zeigte: Die Experten sahen 35 Jahre lang den Wald vor lauter Bäumen nicht. Dr. Richards war angesichts der Tatsache, dass ein Industriezweig mit 20 Milliarden Dollar Jahresumsatz ausschließlich auf leere Versprechungen und Wunschdenken zu setzen schien, so verblüfft, dass er zum Mittel der offenen Herausforderung griff:
Ist irgendein Laufschuhhersteller bereit, zu behaupten, dass das Tragen seiner Schuhe das Risiko von laufbedingten Verletzungen des Stütz- und Bewegungsapparats vermindert?
Ist irgendein Schuhhersteller bereit, zu behaupten, dass das Tragen seiner Schuhe die Leistungen bei Langstreckenläufen verbessern wird?
Wenn Sie zu diesen Behauptungen bereit sind: Wo sind die von Experten geprüften Daten, mit denen sie belegt werden können?
Dr. Richards wartete und versuchte anschließend sogar von sich aus, von den großen Schuhherstellern entsprechende Daten zu erhalten. Im Gegenzug erntete er nur Schweigen.
Für was also gibt man
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