Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)
Jahrhundert, ein erstklassiger Testpilot, dessen »kleine Schritte« für den Rest der Menschheit von enormem Nutzen sein könnten. Wer meint, Barfuß-Teds Ansichten würden so über Gebühr aufgewertet, sollte diese Worte von Dr. Daniel Lieberman bedenken, einem Professor für Biologische Anthropologie an der Harvard University:
»Viele Fuß- und Knieverletzungen, die uns gegenwärtig zusetzen, entstehen, weil die Menschen mit Schuhen laufen, die unsere Füße schwächen, die uns überpronieren lassen und Kniebeschwerden auslösen. Bis zum Jahr 1972, als Nike den modernen Laufschuh erfand, benutzten die Leute Schuhe mit sehr dünnen Sohlen, hatten kräftige Füße, und es kam zu sehr viel weniger Knieverletzungen.«
Und die Kosten dieser Verletzungen? Tödliche Erkrankungen in epidemischen Ausmaßen. »Die Menschen müssen sich unbedingt im aeroben Bereich belasten, wenn sie gesund bleiben wollen, und ich glaube, dass diese Notwendigkeit tief in der Geschichte unserer Evolution verwurzelt ist«, sagte Dr. Lieberman. »Wenn es irgendein Zaubermittel gibt, das die Menschen gesund macht, dann ist es das Laufen.«
Zaubermittel? Der letzte Wissenschaftler, der diesen Ausdruck gebraucht hatte und ähnliche Referenzen wie Dr. Lieberman vorweisen konnte, hatte eben erst das Penicillin entdeckt. Dr. Lieberman wusste das, und er meinte es so, wie er es gesagt hatte. Wenn es nie Laufschuhe gegeben hätte, erklärte er, würden mehr Menschen laufen. Würden mehr Menschen laufen, gäbe es auch weniger Todesfälle wegen degenerativer Herzerkrankungen, plötzlichen Herzstillstands, Bluthochdruck, Gefäßverschlüssen und Diabetes, und die meisten anderen tödlichen Gebrechen der westlichen Welt waren in diesem Zusammenhang ebenfalls zu nennen.
Auf Nike lastete eine enorme Schuld. Und der bemerkenswerteste Aspekt? Nike wusste es.
Zwei Nike-Mitarbeiter beobachteten im April 2001 das Bahnläufer-Team der Stanford University beim Training. Zu den Aufgaben von Nike-Mitarbeitern gehört es auch, Kommentare gesponserter Läufer zu den von ihnen bevorzugten Schuhen einzuholen. In diesem Fall erwies sich das jedoch als schwierig, denn die Stanford-Läufer schienen allesamt … keines ihrer Modelle zu bevorzugen.
»Vin, warum laufen die Leute barfuß?«, riefen sie dem Stanford-Cheftrainer Vin Lananna zu. »Haben wir euch nicht genug Schuhe geschickt?«
Coach Lananna kam zu ihnen, um den Vorgang zu erklären. »Ich kann es nicht beweisen«, sagte er, »aber ich glaube, dass meine Läufer mit Barfußtraining schneller sind und weniger Verletzungen erleiden.«
Sie sind schneller und nicht so oft verletzt? Hätte das ein anderer gesagt, dann hätten die Nike-Leute höflich genickt und es einfach ignoriert, aber die Gedanken dieses Trainers nahmen sie ernst. Wenn Lanannas Name genannt wurde, dann fielen meist auch, wie bei Joe Vigil, die Beinamen »Visionär« oder »Erneuerer«. Lananna arbeitete seit zehn Jahren in Stanford, und in dieser Zeit hatten seine Bahnläufer- und Querfeldeinteams fünf NCAA-Mannschaftsmeisterschaften und 22 Einzeltitel gewonnen, und Lananna selbst war auch als NCAA Querfeldeincoach des Jahres ausgezeichnet worden. Bisher hatten drei von Lanannas Läufern an Olympischen Spielen teilgenommen, und mit seinem von Nike gesponserten »Farm Team«, einem Elite-Klub für Collegeabsolventen, arbeitete er eifrig an der Ausbildung weiterer Olympioniken. Es versteht sich von selbst, dass die Nike-Repräsentanten leicht verärgert reagierten, als sie von Lananna zu hören bekamen, dass die besten Schuhe, die Nike zu bieten hatte, schlechter waren als überhaupt keine Schuhe.
»Wir haben unsere Füße daran gehindert, ihre natürliche Haltung einzunehmen, indem wir ihnen mehr und mehr Unterstützung anboten«, insistierte Lananna. Deshalb achtete er darauf, dass seine Läufer einen Teil ihres Trainings auf dem Rasen im Stadioninnenraum absolvierten und dabei barfuß liefen. »Ich weiß, dass es für einen Schuhhersteller nicht unbedingt das Größte ist, wenn ein Team, das man finanziell unterstützt, das eigene Produkt nicht benutzt, aber die Menschen gingen jahrtausendelang ohne Schuhe. Ich glaube, dass man überkompensiert, wenn man all diese Korrekturen anzubringen versucht. Man reguliert Dinge, die gar nicht reguliert werden müssen. Ich bin der Ansicht, dass man das Risiko von Achillessehnen-, Knieund Plantarsehnenbeschwerden reduziert, wenn man den Fuß durch Barfußgehen stärkt.«
»Risiko« ist dabei nicht
Weitere Kostenlose Bücher