Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen
von Polizeibeamten, und unaufhörlich trafen Dienstfahrzeuge ein und fuhren wieder ab. Deleu zeigte seinen Ausweis, stellte fest, dass auch die Presse bereits allgegenwärtig war, und befürchtete das Schlimmste. Bosmans begrüßte ihn mit einem kräftigen Händedruck, legitimierte sich ebenfalls gegenüber den diensthabenden Beamten und lief um das Haus herum.
Deleu holte ihn mit großen Schritten ein.
»Die Journalisten, das ist ja das reinste Wespennest, was willst du unternehmen?«
»Wir können die Sache nicht länger unter den Teppich kehren, Dirk. Verspaille verlangt von mir, dass ich heute Abend eine Pressekonferenz gebe. Aber darüber können wir uns nachher den Kopf zerbrechen.«
Über die Terrasse betraten sie das moderne geräumige Haus. Es fiel Deleu sofort auf, dass es in etwa dieselbe Einteilung besaß wie das der Poulders. Auch im Inneren herrschte ein Gewimmel wie in einem Ameisenhaufen. Kriminaltechniker, Gerichtsmediziner, Fotograf, alle waren bereits am Tatort.
Deleu stockte der Atem, als er die beiden Kinder sah, die lächelnd auf der Anrichte saßen. Der Dreckskerl musste ihnen nach ihrem Tod die Mundwinkel hochgezogen haben. Er wandte den Blick ab, starrte voller Grauen die aufgeschlitzte Leiche der attraktiven Brünetten auf dem Küchentisch an und erkannte sofort die Handschrift des Monsters.
»Sie war schwanger«, sagte Bosmans mit brüchiger Stimme. »Der Fötus ist verschwunden.«
Deleu antwortete nicht, rang um seine Selbstbeherrschung und nahm die Szene aufmerksam in sich auf. Er versuchte, sich die geschäftigen Kollegen wegzudenken, und konzentrierte sich ganz auf die Opfer und deren Umfeld. Das hier war eine einzigartige Chance. So würde er dieses … Schlachtfeld nicht noch einmal erleben.
Er schaute sich in aller Ruhe um. Das Sonnenlicht fiel auf die pastellgrünen Wände und schuf eine zauberhafte Atmosphäre, die schrill mit der abscheulichen Wirklichkeit kontrastierte. Plötzlich fiel Deleus Blick auf das grobschlächtige Kruzifix, das an die Eichentür eines der Küchenschränke genagelt war und einen krassen Gegensatz zu der geschmackvollen Einrichtung bildete.
»Auf dem Kruzifix, Jos, darauf müssen seine Fingerabdrücke sein. Der Mörder hat das an die Tür da genagelt. Im Umgang mit Werkzeug ist er offenbar nicht so geschickt wie mit dem Stilett.«
Deleu zeigte auf ein weißes Löchlein in der pastellgrünen Wand, ging hin und betrachtete nochmals das Kreuz. Es war mit einem langen Nagel befestigt, der durch das Kruzifix hindurch bis in den Schrank getrieben worden war. Der Mörder wollte das Kreuz offenbar zuerst an die Wand hängen, und als ihm das nicht gelang, entschied er sich für den Schrank.
»Er ist nachlässig, schert sich nicht um Kleinigkeiten. Der Dreckskerl hat kein Auge für Details«, bemerkte Deleu.
»Das sieht doch wohl ein Blinder«, antwortete Bosmans, der schrecklich barsch reagieren konnte, wenn er angespannt war. Deleu sagte nichts.
»Entschuldige«, flüsterte Bosmans. »Du hast recht. Auf einen Fingerabdruck mehr oder weniger kommt es ihm nicht an.«
»Es ist derselbe Täter.«
»Zweifellos. Blut und Brotkrümel im Hals.«
»Aber er wird immer dreister.«
»Meinst du die Kerzen?«
»Ja, die auch, und er gibt sich offensichtlich keine Mühe mehr, seine perversen Spielchen zu verbergen. Aber ich meine vor allem die Tatzeit. Am helllichten Tag. Die Leute hier saßen gerade beim Mittagessen, verdammt noch mal!«
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7
D eleu griff nach seinem Glas, schwenkte den Cognac eine Weile darin herum und nippte schließlich daran. Entspannung nach der Anspannung. Er war zum Joggen in den Park gegangen, hatte danach eine erfrischende Dusche genommen und wartete nun in der Lounge seines Hotels auf die Ankunft von Jos Bosmans.
Deleu betrachtete seine Rolex. Normalerweise trug er nicht solche exklusiven Sachen, aber die Uhr war ein Geschenk von Barbara gewesen, zu ihrem zehnten Hochzeitstag. Immer, wenn er an diesen Tag zurückdachte, schämte er sich in Grund und Boden. Er war an dem Abend so betrunken gewesen, dass er die Nacht vor lauter Elend im Badezimmer verbracht hatte. Barbara konnte damals nicht darüber lachen und konnte es bis heute nicht.
Halb neun. Die Pressekonferenz musste schon seit geraumer Zeit vorüber sein. Deleu leerte sein Glas, und gerade, als er aus seinem Sessel aufstehen wollte, betrat Bosmans in seinem unvermeidlichen grünen Lodenmantel die Hotelhalle.
»Da haben wir den Salat, morgen bringen sämtliche
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