Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen
an und fragte, was los sei.
»Verdammt noch mal, Dirk, wo warst du denn den ganzen Tag?«
»Warum? Was ist denn los?«
»Es sind schon wieder zwei Morde verübt worden. In Eppegem. Wo hast du bloß den ganzen Tag gesteckt, verdammt noch mal?«
»Im Haus der Verbists.«
»Ich habe jemanden hingeschickt. Du warst nicht da.«
»Ich erkläre es dir nachher. Ich komme sofort, Jos.«
Deleu unterbrach die Verbindung, schmiss das Handy ins Handschuhfach, verfluchte Mister Ericsson, der die Dinger mit einer Mailbox ausgestattet hatte, und ließ den Wagen an. Keine Zeit für Reue. Er hätte sich in den Hintern beißen können. Schon ging das Theater los.
Unterwegs zermarterte er sich das Gehirn nach einer Ausrede. Er hatte jetzt erst gesehen, dass der Akku seines Handys leer war. Das könnte klappen. Aber wie sollte er erklären, warum er nicht im Haus der Verbists gewesen war?
Deleu parkte das Auto genau vor dem Präsidium, stieg aus, stapfte ausgiebig im Matsch herum und begab sich ohne Umweg in Jos Bosmans’ Büro. Verstappen, der schielende Pierre und Vereecken waren schon da. Alle starrten ihn an. Deleu fühlte sich äußerst unbehaglich, riss sich aber zusammen und fragte: »Ihr habt mich gesucht?«
Er erhielt keine Antwort auf seine rhetorische Frage.
»Wo bist du heute Nachmittag gewesen?«, fragte Jos Bosmans knapp.
»Ich war erst im Haus der Verbists und habe anschließend das Wäldchen hinter ihrem Haus durchkämmt. Der Akku meines Handys war leer. Ich habe es eben erst gemerkt.«
Bosmans musterte Deleu von Kopf bis Fuß, und sein Blick blieb an den schmutzigen Schuhen hängen. Er räusperte sich: »In Eppegem wurden zwei junge Leute ermordet. Gestern, es muss am frühen Abend geschehen sein. Ein Passant hat sie heute Morgen zufällig entdeckt.«
»Was hat das mit unserem Fall zu tun, Jos?«
»Unzucht!«, bemerkte der schielende Pierre und schaute Vereecken dabei eindringlich an. Schlug Walter auch manchmal über die Stränge?
Deleu juckte es am ganzen Körper, und er fragte sich, ob er sich trotz seiner Vorsichtsmaßnahmen eine Geschlechtskrankheit zugezogen hatte. »Red weiter«, sagte er.
»Zwei Jugendliche, achtzehn und sechzehn Jahre alt, erschossen in dem Auto, das dem Vater des Jungen gehört. Beide mit drei Kopfschüssen aus nächster Nähe getötet. Eine Riesenschweinerei. Der Passant, der sie entdeckt hat, musste mit einem Schock ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die Untersuchungen sind noch in vollem Gange. Wir können lediglich mit Sicherheit sagen, dass sie kurz vor ihrem Tod Geschlechtsverkehr hatten«, sagte Bosmans.
»Waren sie nackt?«, fragte Verstappen nasebohrend.
»Nein. Spuren von Sperma in ihr und Vaginalflüssigkeit an ihm, Verstappen«, blaffte Bosmans und murmelte kaum hörbar hinterher: »Und jetzt geh dir einen runterholen.«
»Aber die Frage ist doch nicht uninteressant«, mischte sich Deleu genau im passenden Moment ein. »Wenn sie Geschlechtsverkehr hatten, warum waren sie dann nicht nackt? Oder zumindest teilweise unbekleidet?«
»Sie waren nun mal vollständig bekleidet!«, fauchte Bosmans. »Picobello angezogen, aber mit deutlichen Spuren von Verkehr, und mausetot. Verstappen, ich wünsche, dass Sie die Autopsie von A bis Z mitverfolgen, und diesmal will ich, dass alles untersucht wird. Und wenn ihr sie in quadratmillimetergroße Stückchen schneidet! Ich will wissen, ob sie Blut und Brotkrümel im Hals hatten. Ich will wissen, was sie an jenem Tag gegessen hatten. Ich will wissen, ob der Junge Schweißfüße hatte und ob sein Vater eine Warze am großen oder am kleinen Zeh hat, verstanden?«
Verstappen nickte nur und trollte sich. Der schielende Pierre starrte zur Tür und seufzte.
»Noch Fragen, Pierre?«, fragte Bosmans kurz angebunden.
»Äh, nein, eigentlich nicht, Chef.«
»Dann begleite bitte die Jungs von der Spurensicherung und überwache die Untersuchung des Wagens wie eine Bruthenne ihre Eier, oder so ähnlich. Bericht an mich, sobald etwas Interessantes ans Licht kommt.«
»Okay«, sagte Pierre und sprang auf wie von der Tarantel gestochen. Kurz bevor er hinausging, sagte Bosmans: »Danke, Pierre.«
»Wofür, Chef?«, fragte Pierre mit der Klinke in der Hand.
»Für die vielen nächtlichen Überstunden.«
Pierre nickte und verschwand, gefolgt von Walter Vereecken. Die beiden waren unzertrennlich, fast wie ein Ermittlerteam im Fernsehen.
»So, jetzt gib mir auch die volle Breitseite, Jos, ich hab’s verdient.«
»Ach was, Dirk, ich
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