Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen
an.
Er holte das Messer aus der Wanne, zwängte den Schlüsselring auseinander, suchte den Schlüssel von Harrys Postfach heraus und steckte ihn in die Tasche. Hermans grinste und entblößte dabei seine spitzen Zähne. Es durfte nicht zu leicht und vor allem nicht zu schnell gehen. Was er in dieser Gemeinde aufgebaut hatte, wollte er nicht aufgeben, noch nicht.
Er ging in die Küche, riss zwei Plastikmüllsäcke von der Rolle, holte Paketschnur aus der Küchenschublade und kehrte ins Bad zurück, wo er Harry recht und schlecht in die Tüten verpackte und mit der Schnur umwickelte.
Warum hatte er bloß versucht, Harry in Stücke zu schneiden? Er sollte mal wieder etwas weniger auf die Zeitungen achten und mehr auf sich selbst. Menschen in Stücke zu schneiden lag ihm einfach nicht. Nun ja, wieder um eine Erfahrung reicher. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, dachte er bei sich und kam wie immer schnell wieder mit sich ins Reine.
[home]
23
A ls De Schutter und Vereecken, die beiden Kleiderschränke des Mecheler Sondereinsatzkommandos, die Tür aufbrachen und mit der Waffe im Anschlag Harrys Apartment stürmten, geschah nichts. Doch Harry musste zu Hause sein, denn der schielende Pierre, der sich draußen vor dem Haus in einem Gebüsch verschanzt hatte, hatte gesehen, wie sich eine Gardine bewegte, als die Kollegen klingelten.
De Schutter ging nach links, Vereecken nach rechts und der schielende Pierre geradeaus. Vorsichtig schlichen die drei Ermittler durch die Wohnung. Bad, Küche, Schlafzimmer: verlassen. Als sie kopfschüttelnd im Wohnzimmer wieder zusammentrafen und sich der schielende Pierre, den Blick fest auf die Badezimmertür rechts von ihm geheftet, vorsichtig dem Fenster näherte, sprang ein dicker schwarzer Kater hinter der Gardine hervor.
»Mist!«, rief Pierre, die Dienstwaffe mit beiden Händen umklammert, den Finger am Abzug. »Mist, blöde Katze!«
»Der Vogel ist ausgeflogen«, murmelte Walter Vereecken, während mit einem Kichern die Spannung aus Luc De Schutter wich.
Harry Luytens Apartment war die typische Junggesellenbude. Auf der Anrichte stapelte sich das schmutzige Geschirr, der Boden war mit Krümeln übersät und neben der Waschmaschine stand ein Korb mit zerknüllter Wäsche, verschwitzten Hemden und schmutzigen Unterhosen. An einem Frühstücksbrettchen auf dem Küchentisch klebten uralte, vergammelte Schokoladenreste.
Während ein Team von der Spurensicherung die Wohnung gründlich durchkämmte, kamen auch Dirk Deleu und Jos Bosmans herein.
»Tja, Jos, der Vogel ist tatsächlich ausgeflogen.«
Jos Bosmans seufzte und steckte beide Hände in die Hosentaschen.
»Mariette Pauwels war sich ganz sicher, hundertprozentig, ich habe es ihren Augen angesehen. Sie hat in Luyten den angeblichen Stromableser von den Stadtwerken wiedererkannt, der an demselben Tag bei ihr war, als die Verbists ermordet wurden. Wir müssen den Kerl finden. Hat er Verwandte hier in der Gegend?«
Bosmans schüttelte den Kopf.
»Eine Freundin? Freunde oder Bekannte?«
»Er war Waise, Dirk, und ein Einzelgänger. Niemand hat je richtigen Kontakt zu dem Mann gehabt.«
»Wahrscheinlich hat er den PC in Zemst manipuliert.«
»Aber warum? Was hatte er davon, die Anzeige zu unterschlagen? Das ist doch vollkommen unlogisch.«
Harrys Auto, ein zerbeulter grauer Toyota Starlet, gab ebenso wenig wie seine Wohnung irgendein Geheimnis preis. Harrys Dienstwaffe lag in ihrem Kästchen. Die ballistischen Untersuchungen hatten ergeben, dass es sich bei ihr nicht um die Mordwaffe handelte, mit der die beiden Teenager in Eppegem erschossen worden waren.
Harrys Personenbeschreibung wurde über das Fernsehen verbreitet. Dafür hatte man ein relativ aktuelles Foto retuschiert, indem man die schwarzen, nach hinten gekämmten Haare in eine modische Kurzhaarfrisur verwandelte. Doch es gab keinerlei Lebenszeichen von Harry Luyten. Er war wie vom Erdboden verschluckt.
Schlagzeilen wie: »Der Schlächter auf der Flucht«, begleitet von einem Foto von Luyten, bedeckten die Titelseiten sämtlicher Zeitungen. Das ganze Land befand sich auf der Suche nach diesem einen Mann. Wenn man der Presse Glauben schenken wollte, brauchten sie den Täter nur noch zu fassen. In den Zentralen der Mecheler Kripo und der örtlichen Polizeidienststellen liefen die Telefone heiß. Jede Stunde wurden Hunderte Luytens gesichtet.
In Vilvoorde musste sogar ein Autofahrer mit einem offenen Beinbruch ins Krankenhaus eingeliefert werden. Passanten
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