Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen
ab.«
»Gut, ich warte so lange.«
Josef Hermans verließ den Beichtstuhl und blickte sich aufmerksam um. Im ganzen Gotteshaus war keine Menschenseele mehr zu sehen. Er tauchte die rechte Hand ins Weihwasserbecken, trocknete sie an seiner Kutte ab und verschloss die Eichen-Flügeltür. Er schob den eisernen Riegel vor, blickte sich nochmals um und kehrte wieder zum Beichtstuhl zurück.
»Leg los, mein Junge. Übrigens, gute Arbeit, das mit gestern Abend.«
»Vielen Dank. Sie hatten nichts Besseres verdient.«
»Stimmt, da hast du völlig recht. Wir hatten keine andere Wahl. Du hast doch keine Spuren hinterlassen, oder? Du hast doch die Pistole in die Zenne geworfen und deine Schuhe verbrannt?«
»Äh … Ja, genau, wie Sie es mir aufgetragen hatten. Alles in bester Ordnung. Wollten Sie mich deswegen sprechen?«
»Hast du deine Schuhe verbrannt?«
»Ja.«
»Und du hast die Waffe in die Zenne geworfen?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Vielleicht brauche ich sie noch mal.«
»Was hast du damit gemacht?«
»In mein Postfach gelegt. Sicher eingeschlossen.«
»Wirst du in Zukunft meine Befehle befolgen?«
»Ja.«
Harry Luyten guckte betreten wie ein ertapptes Kind unter seinen zusammengezogenen Augenbrauen hervor, strich sich mit einer automatischen Bewegung über sein kurzes schwarzes Haar und machte Anstalten, aufzustehen.
»Was ist da eigentlich los im Kommissariat?«
Harry pulte nervös an den Fingernägeln.
»Harry?«
»Es gibt Probleme, Mijnheer Pastor. Der PC ist beschlagnahmt worden. Aber woher wissen Sie, dass …?«
»Gottes Wege sind unerforschlich.«
Harry starrte das Gitter an, hinter dem Hermans sich verbarg. Er war offensichtlich beeindruckt und schaute sich rasch nach rechts und links um, als wolle er sich aus dem Staub machen.
»Wer hat den Computer beschlagnahmt?«
»Die Leute von der Dienstaufsicht. Ich befürchte, sie sind auf der Suche nach der Vermisstenanzeige, die wegen Mevrouw Verbist erstattet wurde.«
»Ja, und?«
»Ich habe die Anzeige unter Roberts Namen abgespeichert und sie anschließend gelöscht.«
»Ach so, und warum hast du das getan?«
Harry schluckte, überlegte ein paar Sekunden zu lange und sagte: »Ich hatte Angst, Sie könnten dadurch kompromittiert werden.«
»Wie aufmerksam von dir«, antwortete Hermans höhnisch. »Aber wo liegt dann das Problem? Wenn die Anzeige auf Roberts Namen gespeichert wurde, dann hast du doch nichts damit zu tun?«
»Stimmt im Prinzip, Mijnheer Pastor, aber sie haben einen Computerfachmann drangesetzt, und ich befürchte, dass sie die Anzeige rekonstruiert haben, denn sie haben Robert ausgiebig auf den Zahn gefühlt. Eben hat er mir aber erzählt, dass er nicht mehr verdächtigt würde, weil er nichts von Computern versteht und daher unmöglich das nötige Knowhow haben konnte, um die Anzeige unauffällig verschwinden zu lassen und anschließend alle anderen Berichte neu zu sortieren und so weiter.«
Josef Hermans hielt wohlweislich den Mund. Er wusste, dass Harry log. Nach zehn Sekunden fing Harry an, nervös auf den Knien hin- und herzurutschen.
»Außerdem hatte er an dem Tag Urlaub, an dem die Anzeige erstattet wurde.«
»Und warum hast du die Anzeige dann unter dem Namen von Robert Vanfleteren abgespeichert?«
»Hab ich doch schon gesagt!«, antwortete Harry trotzig.
Josef Hermans kniff die Augen zu Schlitzen zusammen und schnaufte durch die Nase. So streitsüchtig hatte er ihn ja noch nie erlebt. Harry war tatsächlich widerborstig.
»Ich hatte Angst, die Anzeige könne Sie kompromittieren und habe mich unter Roberts Namen im System angemeldet, als die Männer hereinkamen.«
»Welche Männer?«
»Der Ehemann von Mevrouw Verbist, Peter Verbist, und Storme, der Chefberater von diesem Politiker, De Staercke.«
»Hast du Verbist vorher schon gekannt, Harry?«
»Nein, warum fragen Sie?«
»Warum hast du die Anzeige dann unter dem Namen von Robert Vanfleteren aufgenommen?«
»Weil ich dachte … Weil ich … Als ich hörte, wen ich vor mir hatte, habe ich mich eben abgemeldet und mich unter dem Namen von Robert wieder eingeloggt.«
Josef Hermans ballte die Fäuste und zischte: »Und jetzt sagst du mir endlich die Wahrheit! Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit! Du lügst im Beichtstuhl!«
Harry schaute sich erschreckt um und hüstelte nervös. Seine Selbstsicherheit war geschmolzen wie Schnee an der Sonne, und vor lauter schlechtem Gewissen zog er den Kopf ein.
»Warum hast du diese Anzeige auf den Namen
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