Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen
Wo bist du?«
»Nein, schon gut, ich komme. Bleib, wo du bist«, fauchte Bosmans.
Als der Mercedes über eine Straßenschwelle in einer verkehrsberuhigten Zone holperte, kam Bosmans wieder zu sich. Evas Geburtstagsfeier konnte er in den Wind schreiben. Er machte sich Vorwürfe, weil er auf dem Weg zu Dirk Deleu anstatt zu seiner Tochter war. Vielleicht sollte er so langsam mal über seine Pensionierung nachdenken.
Er rief Eva an und beichtete kleinlaut, dass er es nicht zu ihrer Feier schaffen würde. Der tiefe Seufzer am anderen Ende der Leitung sprach Bände.
»Tut mir so leid, Schätzchen! Ich verspreche, es wiedergutzumachen, okay?« Eva hängte wortlos ein. Bosmans parkte seinen Wagen in der Louisastraat und eilte zur Taverne. Deleu saß am Fenster und winkte ihm zu. Bosmans ging hinein und schüttelte ihm die Hand.
»Du auch noch eins?«
Deleu nickte, und Bosmans bestellte zwei Hoegaarden. Beide Männer schauten sich schweigend an. Nachdem die Wirtin verschwunden war, ergriff Deleu als Erster das Wort: »War er es, Jos?«
»Zweifellos. Irrtum ausgeschlossen. Diesmal hat er der einen das Kreuz in die Kehle gerammt und höchstwahrscheinlich vorher mit seinen Opfern ein makaberes Katz-und-Maus-Spiel gespielt, aber er war es, ja. Auch diesmal wurde der Fötus aus der Gebärmutter herausgeschnitten. Aber was hast du eben am Telefon gesagt? Du weißt, wer der Täter ist?«
»Ja, ich glaube schon. Ich bin mir zwar noch nicht hundertprozentig sicher, aber mein Gefühl sagt mir, dass ich recht habe. Ich muss allerdings noch ein paar Einzelheiten überprüfen.«
»Wie lange willst du mich eigentlich noch auf die Folter spannen?«
Bosmans sprach lauter als beabsichtigt, und Deleu zog instinktiv den Kopf ein.
»Versprichst du, mich nicht auszulachen?«
»Raus mit der Sprache!«
»Ich glaube, es ist der Pastor, Jos. Josef Hermans.«
Jos Bosmans fiel der Unterkiefer herunter. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte, und schwankte zwischen Hohngelächter und einem deftigen Fluch. Doch er schwieg und hörte sich Deleus Geschichte an, ohne ihn ein einziges Mal zu unterbrechen.
Als Deleu ihm von dem Kelch und der Störung durch den Küster erzählte, wurde er blass um die Nase.
»Um Gottes willen, Dirk! Du hättest die gesamten Ermittlungen in Gefahr gebracht! Stell dir vor, der Pastor ist wirklich der Täter und der Küster sagt aus, dass du den Kelch klauen wolltest! Verdammt, Dirk, das mit den Fingerabdrücken hätte doch noch warten können!«
»Tut mir leid, Jos, aber ich wollte einfach ganz sichergehen, und nach dem, was du mir eben erzählt hast, scheinen wir wirklich nicht mehr viel Zeit zu haben. Jeden Tag kann ihm wieder jemand zum Opfer fallen.«
Bosmans starrte gedankenverloren vor sich hin.
»Verdammt, du hast recht, Dirk! Wie sieht unser nächster Schritt aus? Was hast du vor? Was sollen wir jetzt tun?«
»Lass ihn beschatten, Jos, rund um die Uhr, das wäre schon mal ein Anfang. So können wir wenigstens verhindern, dass er weitermordet.«
»Das geht nicht, und das weißt du genau. Wir haben keinerlei rechtliche Grundlage. Wenn ich meine Leute damit beauftrage, ihn zu beschatten, ist der Teufel los. Wenn einer von ihnen auch nur ein Sterbenswörtchen verrät oder wenn der Pastor merkt, dass er beschattet wird, macht er Kleinholz aus uns. Die Politiker erledigen dann den Rest.«
»Wir brauchen seine Fingerabdrücke, Jos. Sobald wir ganz sicher sind, nageln wir ihn an sein eigenes Kreuz.«
»Fingerabdrücke sind eine Sache, stichhaltige Beweise eine andere. Bevor wir ihn festnehmen, will ich stichhaltige Beweise haben!«
»Also versuchen wir nicht, an seine Fingerabdrücke heranzukommen?«
»Doch, natürlich! Aber wie?«
»Schick jemanden in die Kirche, Jos. Jemanden, dem du vertrauen kannst und der Verspaille und Konsorten genauso wenig leiden kann wie wir.«
»Ich könnte gehen.«
»Nein, unmöglich. Dich kennt er. Wie wär’s mit Pierre? Ja, genau! Schick den schielenden Pierre!« Deleu war nicht mehr zu bremsen.
»Ich weiß nicht, Dirk. Die Angelegenheit ist wirklich heikel. Gibt es denn keine andere Möglichkeit, uns seine Fingerabdrücke zu verschaffen?«
»Sein Auto, das ist es! Die Türgriffe seines Autos!«
»Er hat kein Auto.«
»Wie bitte? Kein Auto? Woher weißt du das?«
»Ich habe das alles überprüfen lassen. Du musst nicht meinen, dass wir die Hände in den Schoß legen, während du deine Feldforschungen betreibst. Nein, ich kann dich beruhigen, das tun wir
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