Bosmans/Deleu 02 -Totenspur
der sich? Wenn er nicht aufpasst mit seinem großen Mundwerk, kann er ganz schnell wieder stempeln gehen.
»Wo treibst du dich rum, De Meyer? Ich versuche dich schon seit mindestens einer Viertelstunde zu erreichen!«
»Ich war mal für kleine Jungs, Theo«, antwortete De Meyer munter, »auch einfache Fahrer müssen ab und zu ihre dringenden Bedürfnisse erledigen.«
»Hast wohl wieder mal gebechert, was?«, brummte Theo Dewit. Er lauschte angestrengt. Im Hintergrund war tatsächlich Musik zu hören. Dieser elende Faulpelz trieb sich bestimmt schon wieder auf der Kirmes herum.
»He, Chef, reg dich ab. Du hast doch meine Handynummer.«
Dewit ignorierte die Bemerkung, denn er befürchtete, dass sich ansonsten sein Magengeschwür wieder meldete. Das Sodbrennen war stets eine erste Warnung.
»Du musst sofort, auf der Stelle, in die Zentrale kommen.«
»Warum? Kann ich heute eine Stunde früher Feierabend machen? Das wäre wirklich toll. Meine Frau hat Geburtstag, und ich habe für zehn Uhr einen Tisch im Comme Chez Soi reserviert. Dann könnte ich vorher noch duschen, ich stinke nämlich drei Kilometer gegen den Wind.« Der respektlose Carl De Meyer war ein Genießer, ein echter Lebenskünstler, der Geizkragen und moralinsaure Spießer wie Theo Dewit auf den Todnicht ausstehen konnte. Solche Menschen waren doch nur darauf aus, anderen das Leben schwer zu machen. Bei der Arbeit markierten sie den Oberboss, und zu Hause bekamen sie sofort Gegenwind, sobald sie es wagten, nach der Arbeit auch nur ein schnelles Bier-chen zu trinken.
Mit einem breiten Grinsen dachte De Meyer an den bevorstehenden Abend. Noch eine Stunde, und seine Schicht war vorüber. Seine Frau Denise wusste von nichts und würde sich sicherlich über die Überraschung freuen. Zwar würde sie erst ein wenig schimpfen, weil er etwas so Teures ausgesucht hatte, aber egal, man lebte schließlich nur einmal. Er hatte den Tisch schon ein Jahr im Voraus reserviert.
»Die Kripo will dich sprechen, im Zusammenhang mit einer Dame, die du heute Abend gefahren hast. Ich vermute, das kann ein paar Stunden dauern. Am Telefon klang es nach einer großen Sache. Ich an deiner Stelle würde lieber nicht zu lange rumtrödeln. Wo bist du gerade?«
»Wow, ob ich endlich berühmt werde?«, fragte der Fahrer zurück. »Vielleicht steht morgen früh mein Name in allen Zeitungen. Schon als ich noch mit der Kirmes gereist bin und die Frauen reihenweise um den kleinen Finger gewickelt habe, hat mir mein Vater prophezeit, dass ich eines Tages im Showbusiness Karriere mache. Ich bin gerade am Bahnhof.«
»Dass ich nicht lache!«, fauchte Dewit. »Ich kann die
oliebollen
bis hierher riechen! Bleib bloß mit deinenFettfingern vom Wagen weg, oder er wird sofort konfisziert!«
»Prima«, antwortete De Meyer lakonisch. »Wenn ich kein Auto mehr habe, kann ich ja morgen früh in Ruhe meinen Rausch ausschlafen.«
Noch bevor Theo Dewit mit wutverzerrtem Gesicht loswettern konnte, wurde die Verbindung mit einem trockenen Klicken unterbrochen.
16
Als Nadia Mendonck in das Büro stürmte, telefonierten Bosmans und Deleu gerade, und durch das Warten verrauchte ihre angestaute Wut allmählich. Da sich die Gespräche der beiden eine Ewigkeit hinzuziehen schienen, schenkte sie sich eine Tasse von dem berüchtigten Jos-Bosmans-Gebräu ein, das selbst der nachlässigste Gesundheitsbeamte gewiss sofort verboten hätte. Schlürfend sann sie über die nächsten Schritte nach.
»Okay. Gute Arbeit, Nadia«, sagte Jos Bosmans, nachdem er aufgelegt hatte, und erstickte damit den letzten Funken der schwelenden Rebellion professionell im Keim. Alle Menschen, insbesondere attraktive Frauen, waren empfänglich für Komplimente, und das wusste ein alter Hase wie er nur zu gut. Deleu, der die Szene beobachtete und mit halbem Ohr zuhörte, schmunzelte insgeheim.
»Ich habe gerade mit dem Chef des Taxiunternehmens gesprochen, und Pierre ist unterwegs, um den Fahrerzu vernehmen. Ein Team der Spurensicherung ist bereits vor Ort, um die Fingerabdrücke zu sichern. Die Kollegen von der Bereitschaft haben uns ihre volle Unterstützung zugesagt, und das Labor will notfalls noch heute Nacht eventuelle Spuren auswerten. Wenn wir auch nur das Geringste finden, greifen wir uns Robert Pardon auf der Stelle und machen ihm die Hölle heiß. Sämtliche Streifen sind informiert und haben den Auftrag, den Wagen und eventuelle Mitfahrer zu beschatten. Die Villa des Verdächtigen wird rund um die Uhr observiert.
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