Bosmans/Deleu 02 -Totenspur
Idiot, dieser unwahrscheinlich attraktive Idiot. Die Deleus zu besuchen und dann gleich sturzbetrunken nachts mit dem Motorrad durch die Gegend zu brettern! Ihr Kollege wäre um ein Haar aus der Kurve geschleudert worden. Irgendwie hatte er ja was, dieser Dirk Deleu, er war schon schnuckelig. Und dann diese Nase! Dabei sah Rutger zehnmal besser aus, auch wenn er sich dessen nicht bewusst war.
Rutger Desmedt, wenn du auch nur ein bisschen mehr Verantwortungsbewusstsein hättest … Wie soll das nur werden, wenn wir mal Kinder bekommen?
Kinder. Sie hatte sich lange gefragt, ob sie wirklich welche haben wollte. Hatte sie schon zu lange gewartet?
Was, wenn es jetzt nicht mehr auf Anhieb klappt?
Rutger hatte ihr auf seine typische Art und Weise bereits klargemacht, dass er nicht bereit wäre, alles daranzusetzen, ein Kind zu bekommen. Auf die Frage, was er damit meine, hatte er ziemlich verächtlich auf Nadias Freundin Pascale verwiesen, die notfalls denWecker auf drei Uhr morgens gestellt hätte, um den bestmöglichen Zeitpunkt nicht zu verpassen.
Pascale und ihr Mann Herman hatten sich schließlich für eine künstliche Befruchtung entschieden, aber auch diese aufwendige und kostspielige Methode hatte bisher nicht zum Erfolg geführt.
Pascale ist jetzt fünf Jahre älter als ich … Ach, wir werden schon sehen. Noch habe ich genug Zeit. Andererseits …
Dirks Tochter ist ja so süß, ein niedliches, kleines Mädchen. So ein wunderhübsches Baby, und das, obwohl Barbara … Wie alt ist sie noch mal? Vierzig, stimmt. Sie hat behauptet, in dem Alter bekomme man meist intelligente Kinder. Wenn das so ist, sollte ich mit Rutger als Vater besser noch ein paar Jahre warten. Wenn er doch nur ein kleines bisschen ehrgeiziger wäre! Es steckt so viel in ihm, nur macht er einfach nichts daraus. Er gibt sich viel zu schnell zufrieden.
Nadia Mendonck betrachtete sich im Spiegel, bewunderte ihr hübsches Gesicht und dachte: Na ja, so schlimm ist es nun auch wieder nicht.
Sie wurde aus ihren Überlegungen gerissen, als ein Taxi um die Ecke bog und genau vor dem Tor der Villa hielt. Nadia machte sich so klein wie möglich und schob das halbe Brötchen ins Handschuhfach. Ihre Brust hob und senkte sich heftig. Sie versuchte, durch das Lenkrad hindurchzuspähen, sah aber nur zwei undeutliche Gestalten, die sich ab und zu bewegten.
Es dauerte eine Ewigkeit, bis endlich etwas geschah. Das schwere Tor schwang geräuschlos auf, und einehochgewachsene Blondine stieg aus dem Mercedes und verschwand rasch durch die sich bereits wieder schließenden Flügel.
Nadia Mendonck klopfte sich auf beide Wangen und zermarterte sich das Gehirn.
Was nun? Deleu anrufen, oder doch Bosmans?
Robert Pardons Frau war es nicht, denn die hielt sich zusammen mit den beiden Kindern im Ferienhaus der Familie in den Ardennen auf. Das hatte sie vor kurzem noch überprüft. Vorsichtig richtete sie sich wieder auf und sah dem davonfahrenden Wagen nach.
»Mist!«, rief sie dann lauter als beabsichtigt. »Das Num mernschild!« Sie kniff die Augen zusammen, schaltete den Scheibenwischer ein und rieb über die beschlagene Windschutzscheibe. ERT 654 notierte sie rasch auf dem vergilbten Papier ihres Memoblocks, der mit einem Saugnapf an der Scheibe befestigt war. Die Tinte ihres Mont-Blanc-Füllers, den Rutger ihr geschenkt hatte, als sie in Löwen studierte, war noch nicht trocken, da schwang das Tor wieder auf, und ein anthrazitfarbener BMW schoss mit quietschenden Reifen heraus. Am Steuer saß die Blondine, die gerade erst angekommen war. Ob noch jemand im Wagen war, konnte sie auf die Schnelle nicht erkennen.
Nadia ließ den Motor an, gab Gas und spürte, wie das Adrenalin durch ihre Adern pulsierte. Dafür hatte sie all die Strapazen während der Ausbildung auf sich genommen. Das war die spannende, die echte Polizeiarbeit. Gleich an der ersten Kreuzung am Ende der dichtbepflanzten Allee hatte sie den BMW aus den Augen verloren. Ratlos blickte sie nach rechts und links. Schließlich fuhr sie in Richtung Mechelen, denn sie wusste, dass es dort gleich auf die Autobahn Antwerpen–Brüssel ging. Wahrscheinlich fuhr die Frau nach Brüssel, wo Pardon eine Wohnung haben musste. Allerdings wusste niemand, wo diese sich befand, und sie nahmen an, dass er die Wohnung unter einem falschen Namen gemietet hatte.
Beinahe hätte Nadia eine scharfe S-Kurve nicht erwischt, und ihr Herz setzte für einen Schlag aus. Schlingernd raste sie über die Auffahrt der E 19 auf die
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