Bosmans/Deleu 02 -Totenspur
Keine 24 Stunden später, die Londoner Polizei hatte inzwischen eine Großfahndung nach der blonden Alice/Beverly/Elaine eingeleitet, trug sie bereits eine schwarze Perücke und hieß Sylvia Ann Hodgkinson.
In den darauffolgenden Jahren wurde Elaine Parent unter verschiedenen Namen überall auf der Welt gesichtet, von Australien bis Südafrika. Jedes Mal wohnte sie in den exklusivsten Hotels und umgab sich mit dem ausschweifendsten Luxus. Langwierige Ermittlungen mit Hilfe modernster Computerprogramme des amerikanischen Sicherheitsdienstes erbrachten 1996 endlich Resultate. Neun verschiedene Identitäten von Elaine Parent kamen ans Licht.
Auf ihren mondänen Streifzügen nannte sie sich Elaine Haviland, Alex Hart, Alexis Marshal, Bret Tremonet, Antonia Russell, Victoria Dark, Beverly Ann McGowan, Sylvia Hodgkinson und Charlotte Cowan. Nur was aus der echten Beverly Ann McGowan geworden war, wussten die Ermittler genau. Nach den anderen vermissten Frauen wurden intensive Fahndungen eingeleitet, da man befürchtete, dass sie dasselbe schreckliche Schicksal erlitten hatten.
Pannen bei den Ermittlungen
Das Chamäleon machte seinem Namen alle Ehre. Als die Täterin 1993 von der Polizei in Florida in einem nicht bezahlten Mietwagen erwischt wurde, fanden die Beamten zu ihrer großen Überraschung drei verschiedene Ausweise in ihrem Handschuhfach, und zwar auf die Namen Elaine Parent, Charlotte Cowan und Sylvia Hodgkinson. Die Frau, nach der seit Jahren so intensiv gefahndet wurde, konnte tatsächlich verhaftet werden, aber da der Richter den Zahlungsverzug als nicht schwerwiegend beurteilte, kam sie bereits kurze Zeit später auf Kaution wieder frei. Nur wenige Stunden, bevor die Ermittler ihr im Zusammenhang mit den drei Ausweisen auf den Zahn fühlen wollten. Der Vogel war – wieder einmal – ausgeflogen.
Ein bescheidener Durchbruch gelang 1996, als eine gewisse Charlotte Cowan aufgrund eines kleinen Verkehrsunfalls in dem Städtchen Tampain in Florida verhaftet wurde und sich herausstellte, dass sie wegen mehrerer schwerer Verbrechen gesucht wurde. Doch Charlotte Cowan beteuerte, völlig ahnungslos zu sein, und konnte für jede der Straftaten ein schlüssiges Alibi vorweisen. Im Laufe der Vernehmungen stellte sich heraus, dass sie vor Jahren einmal eine »junge, charmante Britin« kennengelernt hatte, die ihr die Zukunft vorhersagen wollte. Deren Name? Elaine Parent!
Glück gehabt
»Ich traf sie in einem Café in Orlando. Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, weil Elaine mir so merkwürdige Geschichten erzählte. Sie werde in Kürze ein Vermögen erben, sagte sie, aber weil ihr Bruder versuche, ihr einen Teil davonabzuluchsen, brauche sie eine neue Identität. Wir verabredeten, dass sie sich für den nächsten Tag meinen Personalausweis leihen durfte.«
Zu Elaines Überraschung brachte Charlotte ihre Schwester mit zu dem Treffen mit, und diese unerwartete Zeugin rettete ihr wahrscheinlich das Leben. Denn von den anderen jungen Frauen, deren Identität sich Elaine Parent »auslieh«, fand man nie auch nur die geringste Spur. Das Chamäleon wird verdächtigt, auch sie aus dem Weg geräumt zu haben.
»Wir sind uns so gut wie sicher, dass Elaine Parent auch heute noch ihr Unwesen treibt und versucht, andere Frauen in die Falle zu locken«, so ein Ermittler von Interpol. »Wer weiß, wie viele falsche Namen sie inzwischen bereits benutzt hat. Das macht die Sache für uns fürchterlich kompliziert, da wir nicht genau wissen, nach wem wir eigentlich fahnden sollen. Jedenfalls kann man behaupten, dass es sich bei ihr um die gefährlichste und meistgesuchte Frau der Welt handelt.«
Oder besser: um die gefährlichsten und meistgesuchten Frauen der Welt.
Ron LAYTNER/M. P.
»Und?«, fragte Jos Bosmans zum vierten Mal. »Was sagst du dazu?«
»Tja«, seufzte Deleu.
»Was heißt hier tja?«
»Ich weiß nicht.«
»Die Ähnlichkeit ist ziemlich frappierend, oder etwa nicht? Sie schlüpft in die Identität ihrer Opfer, um an deren Geld zu kommen. Anschließend verstümmeltsie die Leichen grausam. Sie schneidet Tätowierungen weg, um die Identifizierung zu erschweren …« Um seine These zu unterstreichen, zählte er die Argumente an den Fingern der rechten Hand ab.
»Noch etwas«, fiel Deleu ihm unhöflicherweise ins Wort. Doch Jos Bosmans ließ sich nicht stören und fuhr fort. »… und wird in einem gestohlenen Fahrzeug erwischt.«
»In einem nicht bezahlten Mietwagen!«, korrigierte Deleu und
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