Bosmans/Deleu 02 -Totenspur
Frau muss unglaublich gelitten haben. Es war …«
»Sie steigert sich«, murmelte Bosmans, »sie ähnelt tatsächlich einem Menschenhai, der Blut gerochen hat und alles zerreißt, was sich bewegt. Erspare mir die Einzelheiten. Nichts Brauchbares also.«
»Nein, außer den Fingerabdrücken.«
Inzwischen war Jan Verstappen, Verspailles Schwiegersohn, geräuschlos hereingekommen. Reglos stand er in einer Ecke von Bosmans’ Büro.
»Verstappen?«
»Alle werden observiert, Mijnheer Bosmans. Alle, bis auf zwei.«
»Und warum die nicht?«
»Eine von ihnen, Jill Ayckborn, hält sich offenbar in Großbritannien auf. Das behauptet zumindest ihr Manager …«
»Pah, Manager! Zuhälter wollten Sie wohl sagen«, brauste Bosmans auf.
»Die andere«, Verstappen blätterte in seinem abgegriffenen Notizbuch herum, »Michelle Bekaert. Die Handynummer existiert nicht mehr.«
»Wer kümmert sich darum?«
»Pierre recherchiert gerade über den Mobilfunk-Anbieter.«
Als hätte er es geahnt, betrat genau in dem Moment der schielende Pierre schnaufend das Büro.
»Das Handy war auf den Namen Nadine Versluys angemeldet!«
Es wurde so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können.
Deleu fand als Erster die Sprache wieder.
»Bingo, Leute! Volltreffer! Ihr Name ist also Michelle Bekaert!«
»Oder Vicky Versavel oder Françoise Bourgeois oderwie auch immer. Wer sagt, dass es ihr richtiger Name ist? Welche von den Frauen ist es?«, fragte Bosmans und breitete die Fotos auf seinem Schreibtisch aus.
Verstappen wählte das richtige Foto aus und hielt es hoch. »Die muss es sein!«, sagte er triumphierend.
»Wie auch immer sie heißen mag, das ist zweifellos die Mörderin.« Bosmans hielt sich das Foto vor die Nase und warf Deleu einen verstohlenen Blick zu. »Pierre und Dirk, leitet die Personenbeschreibung bitte unverzüglich an Interpol weiter! Hat man in Robert Pardons Apartment ein Handy gefunden?«
Deleu ließ die dicke Akte auf den Schreibtisch seines Chefs fallen und fing an, in der Tatortbeschreibung zu lesen.
Walter Vereecken, der auf den Lärm hin ebenfalls hereingekommen war, griff zum Telefon. Die Nummer des Mobilfunk-Anbieters Mobistar kannte er inzwischen auswendig.
Pierre nahm das Handy von Bosmans und fragte Vereecken: »Mobi?« Dieser bejahte, sagte er: »Okay, dann übernehme ich Proxis und KPN!«
»Wer hält sich zur Zeit noch im Haus von Vicky Versavel auf?«, fragte Bosmans, stieß dabei seine Kaffeetasse um und wischte die bräunliche Flüssigkeit fluchend mit dem Ärmel seines khakifarbenen Hemdes vom Tisch.
»Nadia.«
»Allein?«
»Ich glaube schon.«
»Dann schicke sofort zwei Rijkswachter hin, Dirk«, wies Bosmans seinen Freund an. »Und zwar in einem Zivilfahrzeug.«
Deleu warf seinem Chef einen vernichtenden Blick zu und verschwand.
»Walter, du rufst Commissaris De Maeght an und sagst ihm, dass er diese Nutten und Transvestiten unverzüglich festnehmen soll. Auf persönlichen Befehl von Jos Bosmans.«
»Und dann, Chef?«
»Ich will von ihnen wissen, wo und wann sie Robert Pardon getroffen haben und ob Pardon noch ein festes Verhältnis hatte.«
Walter Vereecken packte die Räder seines Rollstuhls, vollführte routiniert eine halbe Drehung und rollte hinaus.
»Ich hab sie!«, rief Pierre und kritzelte mit Filzstift eine Nummer auf seine Handfläche. »Soll ich sie anrufen, Chef?«
»Nein«, flüsterte Jos Bosmans. »Warten Sie noch. Wir müssen uns erst eine wirkungsvolle Strategie überlegen. Okay. Also, wenn Sie alle das erledigt haben, womit Sie gerade beschäftigt sind, gehen Sie nach Hause. Teambesprechung um … sieben Uhr in meinem Büro.«
»Morgen früh?«, scherzte Verstappen.
Bosmans brummte etwas Unverständliches und griff nach seinem Handy. Während er die Nummer des krimi naltechnischen Labors eintippte, sagte er: »Das war’s, meine Herren!«
Die Gesellschaft zerstreute sich.
»Verstappen!«
Der Angesprochene blieb stocksteif stehen und drehte sich langsam um.
»Wo bleibt denn die Demunter?«
»Ach ja!«, seufzte Verstappen erleichtert. Bosmans musterte ihn eindringlich.
»Die Familie ist in Urlaub. Serneels ist hingefahren, und die Nachbarin hat gesagt …«
»Verdammt noch mal!«, fluchte Jos Bosmans. »Ausgerechnet jetzt müssen die in Urlaub fahren. Ausgerechnet jetzt!«
Erneut wandte sich Verstappen zum Gehen.
»Verstappen!« Bosmans’ Tonfall klang noch immer befehlend, diesmal allerdings mit einem leicht ironischen Unterton. Wieder
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