Bosmans/Deleu 03 -Ins blanke Messer
Eishände. Die Finger zu steif, um das Sturmgewehr zu entsichern. Durchweichte Kampfanzüge, nasse Strümpfe und gefühllose Zehen. Abwechselnd kribbelnd und gefühllos. Nur was für die ganz Harten.
Er wischte sich die Schweißtropfen vom Kinn und dachte an das Camp in Vogelzang zurück. Es war nach der Operation »Thunderflash« gewesen, einer internationalen Übung gemeinsam mit Deutschen, Amerikanern, Kanadiern und Niederländern.
Das waren noch Zeiten! Die Kameradschaft unter den Männern, Wahnsinn! Und dann die Sache mit dem Wildschwein. Ein Vieh mit Hauern von mindestens einem halben Meter Länge.
Er schloss die Augen und durchlebte die Situation noch einmal. Er war nachts aufgewacht, geweckt von einem lauten Grunzen. Der aufgeregte Keiler, angelockt von dem Geruch belegter Brote, starrte ihm mitten ins Gesicht. Erst wagte er es nicht, sich zu rühren. Das Tier stank penetrant nach Kot und Moschus, und seine primitiven schwarzen Augen glitzerten mordlustig. Schließlich griff er vorsichtig nach seinem Gewehr. Es war zwar nur mit Übungsmunition geladen, aber auch die war nicht ohne. Ohne zu zögern, drückte er den Lauf an den massiven Kopf des Wildschweins und drückte ab. Drei-, viermal hintereinander. Der Keiler quiekte hoch und schrill, schwankte zuckend von links nach rechts, trat wild um sich und raste davon, wobei er das kleine grüne Zelt hinter sich herzog.
Junge, Junge, das waren noch Zeiten.
Diesen Gestank nach verbrannten Haaren und versengtem Fleisch, er roch ihn noch heute.
Vanderauwera sank auf das Sofa mit Kleeblattmuster, trank gierig, aber ohne einen Tropfen zu verschütten, drückte die leere Bierdose platt und ließ sie achtlos auf den Teppich fallen. Müde war er. Müde und deprimiert.
Das Leben war nicht mehr das, was es mal war. Eine Frau im Bett, die fehlte ihm manchmal. Wehmütig dachte er an Maaike zurück, seine niederländische Freundin, und an die wilden Zeiten, die sie zusammen erlebt hatten. Das war lange her.
Ach, Maaike Hoekstra, meine runde friesische Deern. Die goldenen Haare zu einem Zopf geflochten. Ihr knackiger Hintern. Und eine ganz Wilde im Bett. Für alles zu haben, und zwar mit Vergnügen, selbst zehn Mal hintereinander, wenn ich darum gebeten habe. Sogar, wenn ich nicht darum gebeten habe. Von hinten, von vorne, von unten.
Vanderauwera stöhnte, griff sich krampfhaft in den erhitzten Schritt und stieß ein kehliges Röcheln aus. Der Alkohol machte ihn geil. Er packte seinen erwachenden Penis und kratzte sich mit der anderen Hand unter der Achsel.
Maaike, verdammt noch mal!
Nach ihren wilden Jahren bei der rechtsextremen Organisation VMO hatte er sie aus den Augen verloren.
Maaike Hoekstra lässt sich nicht einfangen. Von niemandem. Sie vögelt mit jedem Kerl, der einen Schwanz hat und damit umgehen kann. So muss es sein.
Er ließ die rechte Hand schwer auf die Sofalehne fallen und fasste sich wieder in den Schritt. Wie ging der Spruch gleich wieder? Er schlug sich an die Stirn.
Das war doch mal mein Wahlspruch! Ich werde auch immer vergesslicher. Einmal über vierzig, und schon geht es nur noch bergab. Steil bergab.
»Eine Prinzessin in der Küche, eine Dingsbums im Wohnzimmer und eine Hure im Bett.
Ha, die ersten beiden sind mir sowieso egal«, lallte er. Er stieß laut auf, wobei ihm Galle in den Mund stieg.
Diese Scheißkerle im Den Ijzer. Die saufen jedes Mal bis zum Umfallen.
Vanderauwera zählte langsam an den Fingern ab, die Zungenspitze zwischen den Lippen.
Neunzehn? Nein, Dréke Sex hat fünf Runden ausgegeben. Also einundzwanzig. Einundzwanzig
Er sah auf die Uhr.
In knapp anderthalb Stunden? Denn bis halb zwei war ich im Sax. Erst danach bin ich ins Den Ijzer gegangen. Glaube ich jedenfalls. Da standen sie gleich zu dritt an der Theke, Dré, Fons und Swa, alle auf einmal. Das musste ja ins Auge gehen.
Ach, Maaike!
Er hatte sie nur noch einmal wiedergesehen, bei einem Aufmarsch des Vlaams Blok Mitte des letzten Jahres. Eine Demonstration gegen die geplante Softie-Ausländerpolitik der Regierung Stevaert.
Stimmrecht für Ausländer. Was soll das denn? Bald werden wir Belgier noch nach Marokko ausgewiesen! Wenn die hier in der Mehrheit sind.
Vanderauwera hob die verbeulte Bierdose auf und warf sie lustlos gegen die Kühlschranktür. Er hickste laut und traf prompt daneben.
Maaike war ganz schön auseinandergegangen. Na und? Eine richtige Frau muss was zum Anfassen bieten.
Er verspürte einen schmerzhaften Stich in der Magengegend und richtete sich
Weitere Kostenlose Bücher