Bosmans/Deleu 03 -Ins blanke Messer
die Nasenspitze seines Gegenübers an, auf der ein Riesenfurunkel leuchtete. Darum herum zogen sich kreuz und quer mindestens einen Millimeter tiefe Furchen.
»Wie oft am Tag drücken Sie das Ding da aus, Johnny?«
Verrijt zeigte auf Vanderauweras Nasenspitze. »Oder haben Sie Syphilis?«
»Ich will einen Anwalt, und zwar sofort!«
»Jetzt kommen Sie schon, Mijnheer Vanderauwera, seien Sie endlich vernünftig! Sagen Sie uns einfach die Wahrheit. Dann ist es vorbei«, sagte Vereecken salbungsvoll und blickte Vanderauwera mit dem feierlichen Blick eines Abendmahlgängers an, kurz bevor er die Hostie in der Hosentasche verschwinden lässt.
»Ich verlange einen Anwalt!« Schrilles Geschrei war die Antwort auf seinen beruhigenden Tonfall.
»Johnny. Bitte. Wo sollen wir denn um diese Zeit einen Anwalt herzaubern? Früh um fünf an einem Montagmorgen. Seien Sie doch vernünftig. Wenn Sie einen kennen, dürfen Sie mir gerne seine Telefonnummer geben, dann werde ich ihn gleich für Sie anrufen.«
Johnny Vanderauwera schwieg.
»Ging es um Drogen?«, fragte Vereecken und rollte mit seinem Stuhl zu dem Festgenommenen hin.
»Ich habe den stinkenden Kerl nicht umgebracht! Verdammt noch mal! Scheißbullen! Wie oft soll ich das noch sagen?«
»Stimmt es eigentlich, dass Ihre Mutter eine holländische Nutte war?«, fragte Verrijt boshaft grinsend, die Nasenspitze nur wenige Zentimeter von der Vanderauweras entfernt. Er hatte Grübchen in den Wangen, und seine Arme hingen locker herunter.
Johnny Vanderauwera wandte als Erster den Blick ab.
Verrijt war ein Ass in solchen Spielchen und verlor nie.
»Lass das, Kurt!«, schnauzte Walter Vereecken seinen Kollegen an und nahm zwei getippte Bögen von seinem Schoß. Mit einer schwungvollen Geste knallte er sie vor Vanderauwera auf den Tisch und legte den Stift auf das vorgedruckte Geständnis. Einen Filzstift, aus sicherheitstechnischen Gründen. In den Händen eines gefährlichen Psychopathen konnte ein spitzer Kuli schließlich zu einer gefährlichen Waffe werden.
»Unterschreiben Sie einfach hier, dann ist alles vorbei«, sagte Vereecken in väterlichem Ton. »Und Sie können wieder nach Hause gehen.«
Johnny Vanderauwera betrachtete den Stift. Er hatte rötlich-blaue Ringe um die Augen, und seine Tränensäcke erinnerten an erstarrtes Kerzenwachs. Schon seit fast zwei Stunden saß er hier in dem beengten Raum, in dem es nach Schweiß und Zigarettenrauch stank. Er gähnte und schüttelte den Kopf.
»Ich habe nichts verbrochen«, sagte er matt.
»Wie erklären Sie sich dann, dass wir an mehreren Stellen in der Wohnung des Toten Ihre Fingerabdrücke gefunden haben?«
»Keine Ahnung. Wir waren Freunde und haben ab und zu einen gehoben. Zusammen.«
»Gerade eben haben Sie doch noch ausgesagt, Sie hätten nie ein Wort mit dem ›kleinen Kanaken‹ gewechselt. Wo haben Sie die Drogen versteckt, Johnny? Oder haben Sie das Zeug verkauft?«
Kurt Verrijt straffte den Rücken und ließ die Fingerknöchel einen nach dem anderen knacken. Mit einer trägen Bewegung nahm er die drei Zeitungen vom Tisch. »Welche lesen Sie am liebsten?
De Morgen
, ziemlich links.
Het Laatste Nieuws,
relativ liberal. Oder sind Sie kulturell interessiert und nehmen lieber
De Standaard
?«
Vanderauwera sah den Ermittler an wie ein Walross, das aus Versehen in einen Spanischkurs geraten war. Seine Augen funkelten vor Hass. Vor Hass und Frustration.
De Standaard
fiel auf den Tisch. Die beiden anderen Zeitungen faltete Verrijt in der Mitte und rollte sie akribisch zusammen. Während er damit beschäftigt war, murmelte er: »Arbeitslos, stimmt’s?«
Vanderauwera nickte müde.
»Okay, dann lassen wie den Stellenteil drin«, sagte Verrijt aufgeräumt. Aufgeräumt und heiter.
Er nahm
De Morgen
in die linke und
Het Laatste Nieuws
in die rechte Hand. Fest. Mit dem harten Knick nach oben.
»
De Morgen
links,
Het Laatste Nieuws
plus Stellenteil rechts.«
Bei diesen Worten pfiffen die Zeitungen gleichzeitig durch die Luft und klatschten Vanderauwera links und rechts auf die Wangen. Er stöhnte auf und hielt schützend die Hände über den Kopf. Mit einem lauten Knall trafen ihn die Zeitungen unter den Achseln.
Johnny Vanderauwera fiel mit beiden Armen fuchtelnd vom Stuhl. Verrijt stand auf und stellte sich neben den zusammengekrümmt am Boden liegenden Verdächtigen. Groß und drohend. Die selbstgebastelten Waffen sausten wie Schlagstöcke nieder und trafen Vanderauwera voll auf den Rücken … die
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