Bosmans/Deleu 03 -Ins blanke Messer
auf seinem Schoß lagen, und Jan Doms vom Berufungsausschuss fand sich nach einem Blick auf seine Uhr endgültig damit ab, dass er seinen Besuch im CD -Laden auf ein andermal verschieben musste. Florent Janssens hatte nur noch Augen für Pierre Ongenae in seinem farbenfrohen Aufzug. Er hatte das Damoklesschwert hoch erhoben und die Spitze, bereit zum Todesstoß, auf die Kehle des Opfers gerichtet. In Verstappens Rücken sah er bunte Banderillas stecken. Rot. Rot war die vorherrschende Farbe.
Ongenae presste die Hand an die Stirn und massierte sich mit Daumen und Zeigefinger die Schläfen.
»Mijnheer Verstappen, Ihre Zukunft bei der Kriminalpolizei liegt allein in Ihren Händen.« Er pausierte und hob den Blick. »Wir haben genug gehört, und wir haben genügend Beweismaterial gesammelt, um Vindevogel ein für alle Mal aus dem Verkehr zu ziehen.« Als niemand reagierte, legte er die breiten Hände vor sich auf den Tisch.
»Mijnheer Verstappen, ich will es kurz machen.« Schepers öffnete zum ersten Mal den Mund.
Ongenae brachte ihn mit einem durchdringenden Blick zum Schweigen, trommelte mit den Fingern auf dem Tisch herum und wandte sich dann mit ernstem Gesicht an Verstappen. Sein Blick passte so gar nicht zu seinem soeben noch salbungsvollen Tonfall. »Verstappen«, fuhr er fort, »Schwiegersohn unseres vom Pech verfolgten Freundes Claude Verspaille, wenn Sie als Zeuge aussagen, erhalten Sie von mir einen Freibrief für die Zukunft. Eine vielversprechende Zukunft.«
Eine bleierne Stille trat ein. Jan Verstappen stützte sich mit gespreizten Händen auf dem Tisch ab und stand energisch auf. Sein Entschluss stand fest. Während er Ongenae anlächelte, der ihn geradezu genüsslich beobachtete, griff er sich unter die Achsel. Der Chef der Dienstaufsicht verschränkte in einem Reflex beide Arme vor dem Körper, als Verstappen die Walther auf sein pompöses Gesicht richtete und zweimal kurz mit der Zunge schnalzte. Auch darauf reagierte niemand. In den Augen von Florent Janssens blitzte sogar der Schalk.
Verstappen ließ die Waffe zweimal um den Finger rotieren, griff sie mit der freien Hand am Lauf, legte sie entspannt lächelnd vor sich hin und schob sie zu Ongenae hinüber. Anschließend klatschte er seinen Dienstausweis auf den polierten Tisch.
»Meine Herren, es war angenehm, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Ab und zu.« Es klang weder verbittert noch herausfordernd. Jan Verstappen drehte sich um und ging, ohne sich umzusehen, auf die Tür zu, die einen Spalt offen stand. Er fühlte sich seltsam fröhlich, als zöge er nach Jahren der vergeblichen Plackerei endlich den Kopf aus dem Misthaufen.
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D ie Titelseite von
Het Volk
verunzierte Bosmans’ Schreibtisch wie ein hässlicher Ölfleck inmitten einer kristallklaren Lagune.
Nach und nach hatten sich alle vorsichtig genähert, und das gesamte Team umringte nun die Zeitung, die meisten mit erstaunter Miene. Niemand wagte es, etwas zu sagen. Es gab nur verstohlene Blicke und fragende Gesichter.
Wer ist der Schuldige? Und warum hat er es getan?
Bosmans ergriff schließlich das Wort. Seitdem die Mitglieder des Teams peu à peu eingetroffen waren, hatte er noch keinen der Anwesenden eines Blickes gewürdigt.
»Weder Abram noch seine Frau oder eines seiner Kinder verfügt über ein Handy.« Endlich hob er den Blick und sah seine Untergebenen an, einen nach dem anderen, ohne mit der Wimper zu zucken. Keiner wich ihm aus, damit hatte er nicht gerechnet. »Abram sitzt in Schutzhaft und hat exakt zwei Telefonate geführt: eines mit seiner alten Mutter in Marokko und eines mit dem Bürgermeister von Mechelen.«
Jos Bosmans zündete sich in aller Ruhe eine Zigarette an, blies die blaue Rauchwolke zur Decke und wartete, bis sich der letzte Qualmrest verflüchtigt hatte. Aufgelöst in ein Nichts, als hätte er nie existiert.
»Obwohl es seit einiger Zeit endlich von Gesetzes wegen möglich ist, die Telefone Verdächtiger anzuzapfen, verfügen wir leider nicht über die nötigen Mittel.« Wieder inhalierte er und behielt den Rauch einen Augenblick in der Lunge. Als er sprach, quollen Rauchwölkchen aus seinem Mund. »Untersuchungsrichter wie ich werden abgewiesen, weil die Politiker behaupten, es sei zu kostspielig und das Geld werde anderweitig benötigt. Warum brauchen wir überhaupt so viel Geld, um Abhöraktionen durchzuführen?« Bosmans blickte lächelnd in die Runde. Sein scheinbar belangloses Gerede legte sich über die angespannte Stille. »Keine
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