Bosmans/Deleu 03 -Ins blanke Messer
Sorge, ein entsprechender Ausschuss bearbeitet derzeit die Anfrage. Das größte Problem besteht darin, dass es in der Telekommunikationsbranche immer mehr Anbieter gibt, was solche Abhöraktionen ungemein erschwert. Allerdings ist, wie wir alle wissen, der Kampf gegen das organisierte Verbrechen ohne die Möglichkeit, Telefone anzuzapfen, ein aussichtsloses Unterfangen.«
Bosmans trank von seinem lauwarmen Kaffee und räusperte sich. »Tja, woher sollen wir die Mittel nehmen? Das ist die Kernfrage bei diesem heiklen Problem.« Er stellte seinen Becher auf einem alten Kaffeeflecken ab, um ihn zu verdecken. »In den Niederlanden beteiligen sich die Anbieter an den Kosten, so habe ich jedenfalls gehört.« Nadia Mendonck scharrte vor Nervosität mit den Füßen.
Bosmans schob die Brille hoch und musterte sie, worauf das Geräusch abrupt verstummte.
»Das zuständige Kammermitglied hat diese Vorgehensweise auch für Belgien vorgeschlagen, aber nach einigem Hickhack sieht es inzwischen so aus, als habe er keine Chance.« Bosmans drehte noch einmal seinen Becher. Langsam, bis der Abdruck seiner Lippen wieder auf ihn zeigte. »Was ich damit sagen will, werte Kollegen, aber das war Ihnen vermutlich bereits klar, ist, dass die Dauerüberwachung eines Telefons in Belgien nicht gerade einfach ist. Außerdem werden in unserem Fall die Gespräche von einem Simultandolmetscher für marokkanisches Arabisch mitgehört. Lange Rede, kurzer Sinn …«
»Abram hat der Presse keine Informationen zugespielt«, flüsterte Deleu, dessen Stirn tiefrot angelaufen war.
»Genau«, antwortete Bosmans, zerdrückte seinen Becher und schob ihn achtlos von sich. »Entweder verfügt dieser«, Bosmans fuhr erst mit dem Zeigefinger über die dicke Schlagzeile MURAT MAROUF GERÄT UNTER BESCHUSS und kratzte dann mit dem Fingernagel über das Papier bis ans Ende des Zeitungsartikels, wo er bei den Initialen H. B. anhielt, »Hugo Bels über telepathische Fähigkeiten, oder einer von euch hat geredet! Ich will auf der Stelle wissen, wer der Judas ist! Wer von euch hat aus dem Nähkästchen geplaudert?«
Niemand sagte etwas.
»Warum?«, fügte Bosmans hinzu.
»Was steht denn genau in dem Artikel drin?«, fragte Frank Tack, der auffallend ruhig geblieben war.
Bosmans warf ihm die Zeitung zu. »Lesen Sie ruhig vor.
Sie sind schließlich der begabteste Schauspieler in dieser Truppe von Amateuren!«
Tack leistete Bosmans’ Aufforderung keine Folge, sondern las schweigend. Je länger er las, desto blasser wurde er um die Nase. In dem Artikel stand, dass Marouf und Abram Jugendfreunde gewesen seien und dass die Polizei eine weitere Verbindung zwischen den beiden ermittelt habe. Eine dubiose Verbindung, die höchstwahrscheinlich etwas mit dem Mord an Commissaris Johan Dewolf zu tun habe.
»Wir müssen sofort etwas unternehmen«, stellte Tack energisch fest, während er die Zeitung an Pierre weiterreichte, der es kaum erwarten konnte. »Und zwar, bevor der Vogel ausgeflogen ist.«
»Vielleicht liest er nicht
Het Volk
«, murmelte Walter Vereecken, der den Kopf reckte, um mitlesen zu können. Das war der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
»Ich will verdammt noch mal wissen, wer geredet hat! Und ich werde es herausfinden! Da könnt ihr Gift drauf nehmen! Alle! Was für einen Sauhaufen habe ich da bloß um mich versammelt! Ihr ballert in der Gegend herum, sauft euch kaputt, vögelt miteinander wie die Tiere, und als sei das noch nicht genug, haltet ihr es auch noch für nötig, dem bissigsten Klatschkolumnisten im ganzen Land Dienstgeheimnisse zu verraten! Da werden noch Köpfe rollen, das schwöre ich euch!«
Bosmans zog alle Register. Er musste endlich ein Ventil für seine angestauten Aggressionen finden und die Anspannung aus seinem Körper entweichen lassen. Mehrmals stampfte er mit den Füßen auf, hieb mit beiden Händen auf den Schreibtisch ein und rannte kochend vor Wut und mit geballten Fäusten aus dem Zimmer.
Sofort versammelten sich alle um den vermaledeiten Artikel. Sie schubsten und drängelten, als würden sie die Zeitung jeden Moment in einem Anfall kollektiver Raserei zerfetzen.
Da kam Bosmans zurück ins Büro gestürmt. »Tack übernimmt die Leitung. Jedes Mikrogramm Drogen will ich hier auf meinem Schreibtisch sehen, und sämtliche Anhänger von Murat Marouf binnen«, er sah auf seine Uhr, die verkehrt herum an seinem verschwitzten Handgelenk baumelte, »einer Stunde nebenan in der Zelle sitzen
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