Bosmans/Deleu 03 -Ins blanke Messer
nicht mehr um mich herum. Der Vorsitz winkt! Filip Somers, mein designierter Widersacher – dass ich nicht lache! Dieser Idiot hat schon mal seinen alten Kampfanzug entmottet, in der Hoffnung, die Krise für sich ausnutzen zu können. Falsch gedacht! Auf dem Schlachtfeld sterben wird er, ermordet von marokkanischen Extremisten.
Verspaille blies die Wangen auf und ballte die Fäuste, übermannt von seinen Gefühlen, die dieser großartige Augenblick in ihm wachrief.
Schade, dass Ewoud nicht dabei ist. Seine Mitwirkung hätte das Ganze noch beschleunigen können. Doch leider hat der Tod seines Sohnes Johan nicht den gewünschten Schockeffekt erzielt. Aber wenn ich die Zügel erst einmal in den Händen halte, wird Ewoud schon spuren. Es wird ihm nichts anderes übrigbleiben, wen soll er denn sonst noch finanzieren?
Lachend und übersprudelnd vor Selbstvertrauen schüttelte Verspaille die Fäuste. »Rassisten! Rassisten«, fiel er in den Schlachtruf ein, siegessicher und erfolgstrunken.
Der einzige kleine Schönheitsfehler war bisher die Flucht dieses Marokkanerjungen gewesen. Das war knapp, beinahe hätten sie el Hidrissi erwischt. Ich sollte besser nicht zu viel darüber nachdenken. Gut, dass er tot ist. Über den Haufen geschossen, noch dazu von den Bullen. Abram dagegen war der reinste Glücksfall. Wie der versuchte, auf eigene Faust zu handeln. Der Witzbold wollte mir wohl die Suppe versalzen, was? Aber Ende gut, alles gut. Die Drogen sind wieder da, und Abram umlegen zu lassen war ein meisterhafter Schachzug, genau zum richtigen Zeitpunkt! Exzellentes Timing. Danke, Sylvain! Bravo, Claude!
»Haram! Haram!«, ertönte ein Ruf aus vielen Kehlen. Das Codewort, bekannt in der gesamten islamischen Welt, das alles von der Religion Verbotene bezeichnete. Es war das verabredete Zeichen, und die Meute setzte sich in Bewegung. Die Menschen waren eine kompakte Masse, wie eine Herde Bisons, die plötzlich die Richtung ändert. Sie bewegten sich auf die Merodestraat zu, wo nur eine einfache Absperrung errichtet worden war. Dort standen keine Wasserwerfer, sondern nur drei vereinzelte Rijkswachter.
Ha, diese Idioten! Keine Strategie, kein Fünkchen Durchblick. Diese Ausländer machen alle, die in Mechelen etwas zu sagen haben, ja sogar die Regierung, hoffnungslos lächerlich. Meine Güte, die werden mir glatt noch sympathisch.
Er lachte lauthals wiehernd, wie es typisch für ihn war, er konnte einfach nicht an sich halten.
Einige der Demonstranten reagierten verwirrt, vor allem die einheimischen Sympathisanten. Sie blieben unschlüssig stehen und sahen sich mit fragenden Blicken an, ängstlich und mit erschrockenen Gesichtern. Claude Verspailles Gelächter kontrastierte zu sehr mit der allgemeinen Empörung und Ernüchterung.
Unaufhaltsam strömte die aufgebrachte Menge der Ausländer in die Merodestraat. Zwei Autos standen bereits in Flammen, und die Scheiben der Eckkneipe gingen klirrend zu Bruch. Im dritten Haus auf der linken Seite leckten die Flammen an den heruntergelassenen Rollläden.
Das ist der Wendepunkt, das vollkommene Chaos, die Apokalypse. Nein, viel besser: Das ist erst der Anfang!
Claude Verspaille drängte sich mit seinem dicken Bauch durch die Menge und trabte in Richtung Haupteinkaufsmeile.
Ich, Claude Verspaille, und kein anderer bin die geeignete Person, um hinterher wieder für Zucht und Ordnung zu sorgen. Ich werde es ihnen allen heimzahlen, sie zerquetschen. Und dann die Ordnung wiederherstellen. Vom Parlament aus, vom Sessel des Premierministers. Mit Krawatte und Maßanzug und siebenundfünfzig sexbesessenen Geliebten, einem ganzen Harem.
»Tut mir leid, Mathilde Caudron de Quisbuer«, sagte er kichernd. »Auch dich, meine geliebte Gattin, werde ich dann nicht mehr brauchen.«
Ein verwahrloster junger Mann mit einem um die Hüften geknoteten Parka knallte gegen das Schaufenster einer Boutique. Seinen Fluch hörte der davoneilende Verspaille schon nicht mehr.
Die Umstürzler vom alten Schlag sind entmachtet, die rabiaten Fremdenhasser ermordet, Dewolf und demnächst Somers ausgeschaltet. Es wird Zeit für einen gemäßigteren Parteikurs, einen Kurs unter der kundigen Führung von Premierminister Claude Verspaille. Welcher belgische Bürger kann nach dem heutigen Tage noch die Augen vor dem Ausländerproblem verschließen? Niemand, nicht mal der Naivste. Man braucht ihnen doch nur in die ängstlichen Fratzen zu schauen. Nicht mal Ewoud kann es noch leugnen. Nein, nicht der internationale
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