Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd
Übereinstimmungen für einen reinen Zufall. Ist das Mädchen dort jemals zu einer Beratung gewesen? Wann? Warum? War sie verzweifelt?
Deleu wählte Jos Bosmans’ Nummer.
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7
B osmans studierte die beiden Fotos eingehend und betrachtete dann seinen Freund mit unverhohlener Skepsis. Er hatte ihn bereits über dessen Aktivitäten während der vergangenen drei Tage ausgefragt, locker und beiläufig, vom Hundertsten ins Tausendste, auf seine altbekannte kameradschaftliche und etwas wirre Weise.
Deleu hatte wohlweislich geschwiegen, denn er kannte seinen Freund durch und durch und wusste nur allzu gut, dass Bosmans unauffällig herumbohrte. Die Suggestivfragen, der gelassene Gesichtsausdruck, die gespielte Nonchalance.
»Rückwirkend?«, fragte Bosmans liebenswürdig. Deleu roch den Braten bereits und schwieg. »Also?«
»Also was?« Deleu wich der Frage aus, obwohl er wusste, dass er in der Klemme steckte.
»Was habt ihr bis heute schon alles ausgefressen? Muss ich diese Akte rückwirkend wieder eröffnen, oder ist noch keine Katastrophe passiert?«
Deleu musterte seinen Freund, der eben noch so liebenswert und charmant mit ihm geplaudert hatte und nun plötzlich, ohne jede Ankündigung, den Ton abrupt geändert hatte. Er kam sich vor wie ein Fuchs in der Falle.
Bosmans blieb stoisch, und Deleu spürte, wie tief in seinem Inneren die Frustration zu brodeln begann. Aber er konnte sich nicht dazu bringen, wütend zu werden. Andererseits: dieses selbstgefällige Lächeln, arrogant und überheblich – das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
»Kennst du eigentlich den Unterschied zwischen echter Freundschaft und dem Ausnutzen von Menschen?« Deleu wartete die Antwort nicht ab und überließ den verdutzten Jos Bosmans seinem Schicksal. Wütend riss er die Bürotür auf – und machte erschrocken einen Sprung rückwärts.
»Du hast was zu verbergen, Freundchen«, sagte Mendonck und grinste, als sie Deleus ängstlichen Blick sah.
Deleu antwortete nicht. Stattdessen packte er Nadia an der Schulter und zog sie ein Stück hinaus in den Flur. »Dann hast du also gelauscht – nicht gerade die feine englische Art.«
Lässig zuckte Mendonck die Achseln.
»Und lässt mich die Kastanien aus dem Feuer holen?«
»Meinst du, er weiß, womit wir uns beschäftigen, Dirk?«
Deleu seufzte.
»Ist mir vollkommen egal, Nadia. Es wird langsam Zeit, dass er …«
»… mal an seinen Ruhestand denkt?«, brummte Bosmans, der mit verschränkten Armen in der Türöffnung stand.
»Shit!«, fluchte Deleu und schlug die Hände vor die Augen.
»Der Menschenhändler, der Sadist, der Menschen benutzt wie Wegwerfartikel, dieser schmierige Kerl, dieser Tyrann … hat soeben die Akte Muriel Vandergoten wiedereröffnet«, erklärte der Untersuchungsrichter salbungsvoll, dessen Ton im krassen Gegensatz zum Inhalt der Aussage stand und der eine Antwort erst gar nicht abwartete.
Als Deleu Bosmans’ breiten Rücken durch die Tür verschwinden sah, fluchte er leise.
Das süffisante Grinsen war Mendonck in der Zwischenzeit auf den Lippen erstorben. Sie nahm nun ihrerseits Deleu bei der Schulter und schob ihn in Richtung von Bosmans’ Büro. »Zeit, zu beichten, Wellens«, sagte sie schmunzelnd.
Deleu nickte und folgte ergeben ihrer Aufforderung.
Während Deleu von ihrem Besuch bei Annick de Kimpe, Muriels Mutter, berichtete und von seinem Tête-à-Tête mit Hedwige, hatte Bosmans keinen Ton gesagt, nur geduldig zugehört und hin und wieder genickt. Nun schaute er gedankenverloren zu der verbeulten Thermoskanne.
»Im Fitnesszentrum bin ich auch nicht weitergekommen«, warf Mendonck ein. »Muriel Vandergoten war dort nie Mitglied. Einer der Muskelprotze an der Theke hat mir allerdings erzählt, dass es dort vorige Woche zu einem Tumult gekommen ist. Ein Mann soll ein Mädchen im Fitnessraum belästigt haben und ihr danach nach draußen gefolgt sein. Das Mädchen kam eine Viertelstunde später wieder hereingestürmt, vollkommen aufgelöst, weil der Mann sie verfolgt und zu vergewaltigen versucht hatte. Daraufhin haben sie im Fitnesszentrum eine Art Bürgerwehr auf die Beine gestellt und sich auf die Suche nach dem Angreifer gemacht, allerdings ohne Ergebnis. Viele Muskeln, wenig Hirn.«
Weder Bosmans noch Deleu schauten auf. Aber als Mendonck ihren Bericht fortsetzen wollte, fragte Bosmans: »War das Mädchen blond?«
Sein Ton klang desinteressiert, aber Mendonck sah an Bosmans’ Augen, dass die Rädchen
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