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Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd

Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd

Titel: Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luc Deflo
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Schönheitschirurgen, den er mit den Ersparnissen des seligen Küsters Marcel de Corte bezahlt hatte.
    Mit einem schweren Seufzer drückte er den Hinterkopf gegen die weiche, kalbslederne Kopfstütze des Klubsessels und schloss die Augen. Die Bilder kehrten zurück. Zuerst fragmentarisch und zusammenhangslos wie aufflackernde Flammen, dann voller und wärmer wie eine wohltuende Herbstsonne. Wie eine Symphonie aus Licht und Wärme.
    Ein zufriedenes Lächeln umspielte Hermans’ Lippen, als er sich selbst sah. Das weiße Priestergewand. Seine erhobenen Arme. Über seinem Haupt Gott, der ihm zuhörte, ihm wohlwollend zuschaute. Und dann seine Gemeindemitglieder, seine Schäfchen, Stück für Stück brave, schlichte Gemüter, an seinen Lippen hängend im Bann seiner feurigen Predigt. Über Sodom und Gomorrha. Über die verhängnisvollen Folgen von Zügellosigkeit und Trunkenheit und Ehebruch und Unzucht.
    Bert Hermans wusste genau, wovon er sprach – denn die Dinge, über die er predigte, hatte er vor über dreißig Jahren am eigenen Leib erfahren, als sein Vater die Familie im Stich gelassen hatte und sturzbetrunken mit dem Wagen gegen einen Baum gerast war.
    Das einst so glückliche Familienleben verwandelte sich in einen Alptraum. Es wurde immer schlimmer. Ein Strudel des Elends und Verderbens. Zu allem Überfluss verlor er auch noch seine Mutter, die es nach ein paar Monaten nicht mehr schaffte, mit dem Geld auszukommen.
    Sie war zu stolz, um sich hilfesuchend an seine puritanische Großmutter zu wenden, welche ihre Tochter schon immer davor gewarnt hatte, dass ihr Mann ein Trinker und Nichtsnutz sei.
    Die Familienfehde loderte hoch auf. Sein Bruder Jozef, dieser feige Hund, floh aus freien Stücken zur Großmutter. Eines Morgens war er weg. Einfach verschwunden. In nichts aufgelöst. Nach langem Hin und Her hatte Mama schließlich nachgegeben. Ihr blieb nichts anderes übrig. Er war achtzehn Jahre alt, da durfte man selbst entscheiden.
    Doch weiter geschah nichts.
    Im Gegenteil: Das Leben wurde wieder angenehmer. Er, Bert, erhielt nun sämtliche Zuwendung. Und es kam wieder gutes Essen auf den Tisch. Reisbrei und Blutwurst mit Apfelmus und Kekse und Milch mit Brotstückchen. Und es kamen immer mehr fremde Männer zu Besuch. Manche waren lustig, aber die meisten wirkten scheu und verlegen. Bert hatte oft gelauscht, das Ohr an das Schlüsselloch des Elternschlafzimmers gelegt, aus dem seltsame Geräusche drangen. Manchmal auch beängstigende Geräusche, als würde Mama gefoltert werden. Und laute Schreie, als würde sie geschlagen werden. Aber es ging jedes Mal gut aus.
    Bis zu jenem unglückseligen Tag. Der Tag, an dem Großmutter kam. Daraufhin entbrannte ein hitziger Streit. Es wurde geschrien und gekämpft. Gläser zersplitterten, und Stühle fielen um. Großmutter tobte wie eine rasende Hexe.
    Bert war vor Angst unter den Kleiderschrank gekrochen und schließlich in den Kohlenkeller geflohen.
    Der Polizist, dieser große Kerl mit der Boxernase und dem schwarzen Schnurrbart, hatte ihn dort gefunden und zwischen den Kohlen hervorgezerrt. Verzweifelt hatte er sich an die Rockzipfel seiner Mutter geklammert, aber es hatte nichts genutzt. Zu zweit schleiften sie ihn nach draußen. Mama hockte weinend auf den Knien. Bert Hermans, der nicht verstand, was los war, trat wild um sich, doch er war nicht stark genug. Sie trugen ihn ins Freie, wo ein strenger Herr im Maßanzug dastand und zusah. Und wütende Nachbarn. Sie setzten sich zwar für seine Mutter ein, doch es half alles nichts.
    Die Demütigung war immens. Im Heck des Streifenwagens stieß er – heulend und pechschwarz – so lange mit dem Kopf gegen die Metalltrennwand, bis er blutete. Großmutter, die steif neben ihm saß, rührte keinen Finger. Sie hatte lediglich diesen verbitterten Zug um die schmalen Lippen. Diesen Zug, mit dem sie schon auf die Welt gekommen war.
    Erst viel später erfuhr Bert, woher der Wind wehte. Der Amtsrichter hatte Großmutter das Sorgerecht übertragen.
    Damals in dem Streifenwagen … damals hätte er ihr die Kehle durchbeißen sollen.
    Großmutter war streng und hart. Jeder Fehltritt wurde bestraft … noch bevor er ihn begangen hatte. Sie schloss ihn im Schuppen ein. Allein. Zwischen den Spinnen. Im Dunkeln. Vollkommen verängstigt hockte er da, zusammengekrümmt, und wartete auf die haarigen Monster, die ihn bei der kleinsten Bewegung anfallen würden.
    Sein großer Bruder, der nur am Wochenende kam, lachte ihn aus. Der

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