Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd
tiefschwarze Finsternis. Und kalt, eiskalt, als ob ihm Eiszapfen in die Haut gerammt würden. Diese Demütigung. Tief. Heftig. Unerträglich.
*
»Ich liebe dich, Nadia. Ich hab dich schon immer geliebt. Von Anfang an.«
Nadia Mendonck verschluckte sich und prustete den Kaffee teilweise in ihre Tasse und teilweise auf den Tisch. Ohne aufzuschauen, holte sie ein Taschentuch aus ihrer Handtasche und tupfte die Tischfläche trocken.
Während sie sich verlegen umsah, fuhr Deleu einfach fort: »Ich möchte mich entschuldigen.«
Nadia Mendonck blinzelte durch ihre seidigen Wimpern. Ausnahmsweise mal sprachlos. Zwar erfolgte kein »Warum?«, aber ihre fragenden Augen forderten Deleu förmlich auf, ohne Scheu über seine intimsten Gefühle zu reden.
»Weil ich dich von Anfang an wie meine Geliebte behandelt habe. Wie meine Liebschaft. Wie ein fünftes Rad am Wagen. Die ganze Zeit über bin ich nur mit mir selbst beschäftigt gewesen. Ich habe dir nicht die Liebe und Zuneigung gegeben, die du, verdammt noch mal, verdient hättest.«
Ein paar Stammgäste im
De Kleine Keizer
schauten in ihre Richtung. Auf dem Gesicht der alten Dame am Fenster zeichnete sich ein glückseliges Lächeln ab, während sie still ihren Zitronentee genoss. Aber das kümmerte Deleu nicht im Geringsten – er sah und hörte nichts anderes mehr.
»Ich liebe dich, Nadia. Aber ich konnte von Barbara nicht loskommen. Und du musst das die ganze Zeit gespürt haben. Doch du hast nie einen Ton gesagt. Was für eine schreckliche Tortur. Was bin ich doch nur für ein unverzeihlicher Egoist gewesen! Zwischen Barbara und mir ist es aus. Aus und vorbei, Nadia. Und ich empfinde nichts als Erleichterung. Warum hab ich unsere Beziehung in die Brüche gehen lassen? Warum konnte ich keine Entscheidung treffen? Alles … alles hab ich kaputt gemacht. Aber ich liebe dich wirklich. Du hast mich geliebt. Du hast dich hundertprozentig hingegeben. Mit Leib und Seele. Du hast mir die Geborgenheit geschenkt, nach der ich mich so gesehnt habe. Du … du allein … und ich … ich hab dich wie ein Stiefkind behandelt. Zu beschämt, um deine Hand zu halten. Ich schäme mich so …«
»Stopp.«
Deleu schaute verstört auf und stieß beinahe sein Bierglas um. Dann sah er Nadia an, und in seinem Blick lag so viel Gefühl, dass sie das Schreien seiner Seele zu hören glaubte. Doch sie schwieg.
»… und es ist mir egal, ob Frank der Vater ist. Es interessiert mich nicht die Bohne. Ich liebe dich. Und wenn du willst, werde ich dich anflehen. Gib mir …«
Nadia legte eine Hand auf seine Lippen, und als Deleu sie anschaute, schloss sie die Augen. Sie schluckte. Zunächst heftig, dann langsamer. Schließlich legte sie eine Hand auf ihre Augen und schüttelte den Kopf. Ihre Stimme klang rauh, als sie erwiderte: »Ich will das nicht noch mal durchmachen, Dirk Deleu. Ich kann das nicht mehr. Mein Leben muss irgendwann auch mal weitergehen.«
Sie stand auf, strich bedächtig ihren Rock glatt und sah Deleu an. Mit festem Blick. Dann schluckte sie und lief zur Tür.
Deleu sprang auf und wollte ihr nachgehen. Doch dann zögerte er, schüttelte den Kopf und setzte sich wieder. Er fühlte eine Leere in seinem Kopf, eine seltsame Mischung aus Erleichterung und Angst.
*
In seinem Büro in der alten Polizeikaserne trommelte Bosmans mit einem Stift auf die Schreibtischplatte und wartete darauf, dass Deleu das Mobiltelefon vom Ohr nahm.
»Was ist?«
»Das ist jetzt schon der dritte Anruf.« Jos Bosmans musterte Deleu mit einem unergründlichen Blick. Seine leicht geröteten Wangen schimmerten feucht. Mit einer angestrengten Handbewegung wischte er sich den Schweiß von der Stirn. »Schalt das Ding aus!«, befahl er scharf.
»Es ist ausgeschaltet. Das war die Mailbox. Zuerst dachte ich, dass mein Schwiegervater dahintersteckt«, erwiderte Deleu, in Gedanken versunken. Er fixierte die gegenüberliegende Wand, und ein vages, beinahe beschämtes Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab.
»Muss ich ihn hinter Schloss und Riegel bringen?«, warf Pierre Vindevogel ein, der mit hängenden Schultern dasaß. Gelangweilt nahm er eine weitere Zigarette aus der Packung und zündete sie an. Die blauen Rauchwolken ließen das stickige Büro noch klaustrophobischer erscheinen. Doch Deleu hörte die Worte nur mit halbem Ohr – sie schienen aus einem weit entfernten Raum zu kommen.
Diese Stimme!
»Dirk? Dirk!«
»’tschuldigung, Jos.«
»Dieser Anruf … hat der irgendetwas mit dem
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