Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd
sich die Hand vor den Mund, da er würgen musste.
»Ruhig, John. Lass dir Zeit. Ganz ruhig. Du konntest ja nichts dafür.«
Mispelters kniff die Augen zusammen, und eine Träne rollte ihm über die Wange. Vereeckens verständnisvolle Haltung ließ ihn Hoffnung schöpfen. »Meinen Sie? Muss ich ins Gefängnis?«
»Was ist dann passiert, John? Wie ist die Plastiktüte im Graben gelandet?«
Mispelters’ Gesicht verdüsterte sich wieder, und als er die Szene in Gedanken erneut erlebte, schwand sämtliche Hoffnung. »Ich hab den Müllsack geöffnet und … Und dann bin ich zum Schuppen gerannt, aber er war schon weg. Der Dreckskerl war weg. Alles war sorgfältig aufgeräumt, und der Kerl war verschwunden. Nur das Messer lag noch da. Und da hab ich Angst gekriegt, man würde mir sämtliche Schuld in die Schuhe schieben. Ich stand schlotternd da. Ich … ich hab mir vor Angst in die Hose gepisst.« Mispelters wischte sich mit dem Ärmel seines T-Shirts über die Augen.
Verstohlen wechselten Vereecken und Verrijt einen Blick. Sie wussten intuitiv, dass sie der Wahrheit nun sehr nahe gekommen waren.
Im Raum breitete sich eine unangenehme Stille aus. Nur das schabende Geräusch von Mispelters’ Sportschuhen war zu hören.
»Und dann, John? Was hast du dann getan?«
Die Stille dauerte an.
»Dann hast du den Müllsack mitgenommen und in Rijsel aus dem Lastwagen geworfen, nicht wahr, John? Und das Messer … was hast du mit dem Messer gemacht?«
»Das Messer hab ich schon vorher aus dem Laster geworfen. Ich weiß nicht mehr, wo. Ich wollte nur alles loswerden. Für immer. Alles.« Die folgenden Worte waren unverständlich und gingen in einem heiseren Röcheln unter. Speichel tropfte aus seinem Mundwinkel, und während er sich die Fingerknöchel tief in die Augenhöhlen drückte, zuckte sein Körper unkontrolliert.
»Und dieser andere Mann, John? Kannst du ihn beschreiben? Hast du ihn danach noch mal gesehen? Hat er je Kontakt zu Van Cleynenbreughel gehabt? Wie ist Van Cleynenbreughel an Hilde Plaetincks Adresse gekommen?«
Zu viele Fragen. Mispelters gab keine Antwort. Er saß mit geschlossenen Augen auf dem Stuhl und keuchte, als wäre er gerade einen Marathon gelaufen. Seine Lider zitterten, blieben aber geschlossen.
Die Ermittler begriffen, dass sie einen taktischen Fehler begangen hatten. Vereecken und Verrijt tauschten wortlos einen Blick. Dann hob Verrijt fragend die Augenbrauen. Vereecken nickte, woraufhin sich sein Kollege diskret zurückzog. Sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte, rannte Verrijt wie ein Wahnsinniger durch den Flur.
Noch bevor er Bosmans’ Büro erreichte, schwang dessen Tür bereits auf: Bosmans und Deleu hatten ihn kommen hören. Sie standen nebeneinander. Wie siamesische Zwillinge. Unrasiert. Mit wirren Haaren. Einer hagerer als der andere. Zwei Augenpaare, die ihn begierig ansahen wie Kinder, die sehnsüchtig vor einem Karussell stehen. Voller Verlangen.
Kurt Verrijt grinste und streckte einen Daumen in die Höhe: »Wir haben ihn!«
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15
S
ie ist nun vierzig. Oder einundvierzig. Aber sie ist schön. Sehr schön. Und stolz. Mit kerzengeradem Rücken. Trotz der Brüste. Ein wenig zu schwer? Aber sie hängen nicht. Sie stehen vor. Sogar ohne
BH
. Die Brustwarzen. Hoch angesetzt, fragil und dennoch stolz, fast wie Menschen. Sie führen ein Eigenleben. Hellrosa Knospen wie Apfelblüten. Auch sehr empfindsam. Das weiß ich genau, denn sie wurden steif, als ein Zipfel des Badetuchs sie streifte, während sie zum Fenster ging. Sie wurden hart und dunkler. Als ich zur Seite gesprungen bin, hab ich fast einen leeren Eimer umgestoßen. Auf der Veranda.
Die Veranda mit den großen, braunen Bodenfliesen. Eine ist gebrochen, weiter hinten, vor der Tür. Ach, so simpel alles, so einfach.
Die Veranda grenzt ans Badezimmer.
Das Badezimmer ihrer Eltern. Mit grünen Kacheln, altmodisch, so wie übrigens der gesamte Bungalow. Geräumig, aber unmodern. Aber sie … sie hat daraus eine Villa gemacht. Ihre Anwesenheit erhebt dieses Haus zu einem Tempel, zu einer Kathedrale.
Gott, was ist sie schön. Auch jetzt. Auch hier. Ihre kupferroten Haare glänzen. Das liegt daran, dass sie gerade an der Reihe von Lichtstrahlern vorbeigeht.
Was tut sie? Sie geht zur Theke. Knurrt der Magen? Hast du Hunger? Du bist auch nur ein irdisches Geschöpf. Du pisst und kackst. Genau wie alle anderen. Im Tod sind wir alle gleich. Du bist aus Staub und Asche, und zu Staub und Asche wirst du wieder
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