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Bostjans Flug - Roman

Bostjans Flug - Roman

Titel: Bostjans Flug - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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auf sich ziehen, ihn mit seinem Blick entfachen würde, dennoch passiert es immer wieder, daß er dem listigen Gefunkel erliegt und in den Baum blickt. Es ist zu spät, er selbst ist es bereits, der den Flug dieses Sterns auf sich lenkt, er kann seine Augen nicht mehr von ihm wenden, und je länger er hinschaut, desto schneller kommt er heran. Doch es ist kein Stern, kein Lichtlein, was da in seine Kammer hineinzielt, das heißt, es ist nur so lange ein Licht, solange es sich auf dem Weg vom Nußbaum zum Fenster befindet, solange es auf der Straße für jedermann sichtbar ist, auf Fensterhöhe bereits wird es zum Schaub. Hat ihm ein Gespenst der ruhelosen Vorfahren die Dachluken überlassen, die Fensterläden an ihn abgetreten? Jede zweite oder dritte Nacht, ob das Fenster geschlossen ist oder nicht, kommt er in die Kammer geflattert, und schon schwebt er über dem eisernen Bettgestell. Der Abgesandte des Vaters haßt und verfolgt die Spielsachen, diesen schädlichen Kram, dieses nutzlose Zeug, diese größte Schwäche der Kinder, die sie in die Unfähigkeit, in die Verweichlichung stößt, und als er auf dem Boden den hölzernen Kreisel erblickt, den Vanč hier vergessen hat, zerbeißt er ihn zu Staub und ver
bläst ihn in alle Ritzen. Da hilft kein Farnkraut und kein Sonnwendlicht, kein kreuz, kein quer, nicht Ysop und nicht Tausendguldenkraut, kein Hollerguß und keine Pilgerschaft. Was hätte er für das Fenster der unschuldigen Großmutterstube gegeben, für die undurchlässige Mauer, die zu ihrer Stunde alle Störungen fernhielt und das Eindringen des Gestöbers in die Stube abwehrte! Doch hier kommt, wer es auch sein mag, husch, husch durchs Fenster hereingeflattert, husch, husch, wo und wann es beliebt. In dieser Not hilft keine Prozession, kein Umzug ab, dagegen gibt es hier kein Mittel. Wenn es im früheren Haus einmal schlecht um ihn stand, kündigte Boštjan vor der Kapelle eine Bittprozession ums Haus an oder eine zur Versöhnung und Buße quer über die Wiese, und schon ließ die Plage nach, klärte und löste sich auf, wenngleich sich dazwischen manch eine hinzog und hinhaltend auf ihre Weise trotzte, stur sich weigerte, die Mutter zurückzugeben, aber nur einige Tage noch, und auch ihre Rückkehr wäre durch eine Prozession herbeigebetet worden, wenn es noch welche gegeben hätte. Stets gab es ein Gewimmel bei den Prozessionen, immer stand das Gedränge im Verhältnis zur Größe der Not und zur Nähe des Unglücks. So schritt die Menge ihre Stationen unter dem auf zwei Stangen aufgepflanzten und mit einem Tischtuch bedeckten Himmel ab, vorne Vanč, der für die Männer stand, hinten die Großmutter, die für die Frauen stand, mittendrin der Zeremoniar Boštjan, in ein Leintuch gehüllt und mit einem Stanitzel auf dem Kopf, mit ehrwürdigen, in hartnäckigeren Fällen mit bischöflichen Gesten das Ungemach abwehrend, auf dem Haupt diesmal das Stanitzel mit der Inful, angeklebt mit Mehlpapp. Da ein Riesengeschrei und nur ein einziges Ei, jetzt ein bißchen episkopales Geleier und so viele Eier! Es machte
ihm nichts aus, daß er am Abend der ersten Prozession mit dem Haussegen geschlagen worden war, der vorschriftsmäßig hinter dem Tram steckte, geschlagen, weil er zwei Löcher ins Brett gebohrt hatte und es daher wertlos geworden war, nur noch als Baldachin zu gebrauchen; halb so schlimm, die Striemen auf den Oberschenkeln und die Flecken am Körper waren nicht mehr als ein Katzenhuster, wenn nur die Prozession wirkte und helfen mochte, das Ungemach abzuwehren, oder wenn zumindest eine Hoffnung bestünde.
    Bei diesem Haus gibt es keine Prozessionen und Zeremonien, keine Riten, keinen durchlöcherten Himmel und keine Stanitzel, und schon gar nicht mit einer Inful, wenn es hart auf hart geht. Hier wohnt er nur, daheim ist er hier nicht. In diesem Haus gibt es kein Spielzeug, der Vater duldet es nicht, weil es von der Arbeit ablenkt und den Menschen verdirbt, weil es Ursache des Mißerfolgs ist und den Charakter verweichlicht, weil es ihn kindisch macht und er später zu nichts mehr taugt. Bei einem solchen Menschen kommt es zur Gehirnerweichung, und es ist für jeden eine Strafe, wenn er es mit so einem Menschen zu tun hat, fürs Haus ist er ein einziger Schaden. Das Spielzeug ist schuld daran, wenn einer zum Schwächling wird, von beschränktem Blick ist und man ihm schon von weitem ansieht, daß er dem Teufel auf dem Steilacker vom Wagen gerutscht ist. An Spielsachen gibt es im Haus nur Murmeln, die

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